Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)
mit verschiedenen Früchten, meistens Lichees, Bananen und Ananas.« Voilà, das ist das Original, nicht der von der Familie Prager als wahrscheinliches Vorbild genannte »Kaschmir-Reis« ( pulao ) aus der Region am Fuße des Himalaya; dieser Reis wird nicht mit frischem Obst zubereitet, sondern mit getrockneten Früchten und Nüssen. Prager hat Riz Casimir also eigentlich nicht selbst erfunden, sondern aus London importiert und leicht verändert, vor allem hat er Huhn durch Kalb ersetzt. Kalbfleisch ist für indische Hindus natürlich tabu (Stichwort Heilige Kuh), das ist echt helvetisch. Der Zusatz Kaschmir in den Londoner Curryhouses bedeutet natürlich auch nicht unbedingt, dass es sich dabei um real existierende Gerichte aus Kaschmir handelt. Zur Moghul-Küche der Kaschmir-Region gehört aber ein Gericht namens biryani , das aus Lamm oder Huhn mit Reis mit Früchten besteht, und der Reis ist tatsächlich gelb gefärbt, ganz wie bei Riz Casimir – nur dass er nicht mit Curry zubereitet wird, sondern mit Safran, der in Kaschmir angebaut wird. Aber wer weiß, was Safran kostet, wird verstehen, dass europäische Köche dann doch lieber Currypulver nehmen.
Die Familie Prager hat vor einigen Jahren ein Rezept veröffentlicht, das aus dem Jahr 1958 stammen soll – das vermeintliche Original. Die wesentlichen Zutaten waren danach Kalbfleisch, Reis, rohe rote Paprika, Bananen, frische Ananas, Korinthen, Rahm (Sahne) und Currysauce aus der Tüte. Die Paprika wurde in den 1960er Jahren durch Herzkirschen ersetzt, die zehn Jahre früher noch nicht als Konserve erhältlich waren, ehe man in den 1980er Jahren wieder Paprika nahm. Für höchst zweifelhaft halte ich die Angabe, es sei damals frische Ananas verwendet worden – zum einen war diese Frucht in den 1950er Jahren noch teuer und nicht ganzjährig zu bekommen, zum anderen lassen die Enzyme frischer Ananas Sahne gerinnen, was bei Dosenfrüchten nicht passiert. Fertige Currysauce dürfte es anno 1952 in der Schweiz noch nicht gegeben haben, weil Kochen mit Curry noch völlig unüblich war.
Als Elisabeth Fülscher, Leiterin einer Züricher Kochschule, 1960 »Risotto Casimir« in ihr Kochbuch aufnahm, dessen Name ihr offenbar schleierhaft war, entsprachen die von ihr verwendeten Zutaten höchstwahrscheinlich dem, was damals als Riz Casimir in den Mövenpick-Restaurants serviert wurde: Kalbfleisch mit Reis, Bananen, Ananas aus der Dose, roter Paprika aus dem Glas, Bananen, Mandeln und Currypulver. Noch keine Sahne, überhaupt keine Sauce. Wie ich herausgefunden habe, war Riz Casimir nicht das einzige exotische Gericht, das Prager sich damals mit seinen Küchenchefs ausgedacht hat, sondern es war quasi Teil einer Trilogie neben Riz Colonial und Riz Creole – womit klar ist, warum Casimir mit C geschrieben wird; Kaschmir heißt auf Französisch übrigens Cashemire . Offensichtlich hat man im Laufe der 1960er Jahre die Currysauce, mit der zunächst nur Riz Colonial serviert wurde, auch für Riz Casimir verwendet (siehe Rezepte). Dass Mövenpick nicht das tatsächliche Originalrezept der Anfangsjahre veröffentlicht hat, ist allerdings verständlich – die meisten Schweizer wären enttäuscht, weil es nicht das Gericht ist, das sie unter diesem Namen kennen.
Rezepte Riz Casimir
» Risotto Casimir (Reisgericht mit Geschnetzeltem). Zutaten : Geschnetzeltes Kalbfleisch, 2–4 TL Currypulver, Risotto, 2–3 Bananen, 20 g Butter, 1 kleine Büchse Ananas, 1 Glas rote süße Pimentos (= Paprika), 30 g Mandeln. Vorbereiten der Früchte: Die Bananen in 1 cm dicke Scheibchen schneiden und in Butter kurz glasig überbraten. Die Ananas in Schnitzchen teilen, die Pimentos (= Paprika) in Würfelchen. Die Mandeln schälen, blättrig schneiden, leicht rösten. Anrichten: Den Risotto im Kranz auf eine weite Platte geben. Im letzten Moment das Geschnetzelte zubereiten, mit Curry abschmecken. Die vorbereiteten Früchte, Pimentos sowie Mandeln damit vermischen und innerhalb des Reises auffüllen. Servieren mit Mango-Chutney.«
Quelle: Elisabeth Fülscher, Das Fülscher-Kochbuch , 8. Auflage, Zürich 1966
» Riz Colonial (Indischer Reis mit Fleisch und Früchten). Zutaten: 250–300 g Kalbs-oder Schweinefilet, 250–300 g Rindsfilet oder -huft, 300 g Solefilets (= Seezunge) oder 200 g Crevettes, 1 Zwiebel, etwas Knoblauch, je 1 grüne und rote Peperoni (= Paprika), 2–3 EL Öl, 50–80 g Kochbutter, 3–4 dl Knorr Bouillon, Salz, Pfeffer, 2–4 Orangen, 2–4 Bananen, 50 g Sultaninen, je
Weitere Kostenlose Bücher