Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)
Fleisch übertragen worden und eines Tages durch ein Versehen auf die Speisekarte eines Restaurants gelangt … Mir scheint da wieder einmal die Fantasie mit Wissenschaftlern durchgegangen zu sein, denn diese Theorie setzt voraus, dass den Gästen nicht nur die Bedeutung des Begriffs tourne-dos aus den Markthallen unbekannt war, sondern auch, dass sie allesamt nicht in der Lage waren, gutes von von weniger gutem Fleisch zu unterscheiden. Wobei wirklich gutes Fleisch im Unterschied zu Fisch eben nicht ganz frisch sein darf, sondern abgehangen sein muss.
Da finde ich überzeugender, was der Verfasser von Kettner’s book of the table 1877 über Tournedos schreibt: »Dieses Wort wird man in keinem französischen Wörterbuch in Zusammenhang mit Essen finden. Dennoch wird es in der französischen Küche ständig benutzt und pflanzt sich auf den Speisekarten fort. Gemeint ist damit eine dünne Scheibe Rindfleisch, … die auf das Feuer kommt und auf einer Seite schon fertig gebraten ist, bevor der Koch auch nur Zeit hat, sich umzudrehen.« Der Name könnte demnach entstanden sein, weil die kleinen Filets in Medaillonform quasi im Handumdrehen gar waren. Sie wurden früher grundsätzlich als Entree eines Menüs gereicht, also als erster Gang. Es war damals üblich, die Tournedos vor dem Braten zu marinieren und entweder mit einer Poivrade (einer dunklen Pfeffersauce) oder einer Sauce Espagnole zu servieren.
Gioachino Rossini (1865, Foto von Etienne Carjat)
Rezept Tournedos Rossini
»Man schneidet ein gut abgelegenes Filet in Scheiben, salzt diese, wendet sie in Ei und geriebener Semmel und brät sie in gelber Butter saftig und gar. Zu gleicher Zeit teilt man eine schöne Gänseleber (im Sommer eine halbe Kalbsleber) in Scheiben, paniert auch diese und brät sie ebenfalls. Man richtet die Scheiben abwechselnd stufenförmig an und übergießt sie mit der Sauce, die man aus dem Bratenfond, etwas saurer Sahne, Fleischbrühe und einem Glas Madeira mit etwas Kartoffelmehl zum Binden bereitet hat.«
Quelle: Henriette Davidis, Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche , 37. Auflage, Bielefeld 1898
Welsh Rabbit
Welsh Rabbit heißt auf Deutsch »walisisches Kaninchen«, aber wer da einen zünftigen Hasenbraten erwartet, ist auf eine Scherzbezeichnung hereingefallen. In Wirklichkeit ist dieses Gericht absolut kaninchenfrei und besteht schlicht aus geröstetem Brot und geschmolzenem Käse. In Kochbüchern wird das Rezept oft auch »Welsh Rarebit« genannt, was man mit »seltener Bissen aus Wales« übersetzen kann. Viele halten Rarebit für die ältere Bezeichnung, die Witzbolde irgendwann mal zu Rabbit verändert haben, aber das ist ein Irrtum. Von Welsh Rabbit ist zum ersten Mal 1725 in den Erinnerungen eines John Byron die Rede: »I did not eat of cold beef, but of Welsh rabbit and stewed cheese.« Das »Welsh Rarebit« taucht erst sechzig Jahre später in Kochbüchern auf. Beide Bezeichnungen sind eindeutig englisch. Die Waliser haben ihre eigene Sprache und da heißt das Gericht ganz anders, nämlich caws pobi (caws= Käse, pobi = geröstet).
Über offenem Feuer gegrillter Käse ist wirklich eine alte Waliser Spezialität, die schon auf das Mittelalter zurückgeht. Aus dem 16. Jahrhundert ist eine Geschichte überliefert, in der ein englischer Erzähler schildert, wie eine lärmende Gruppe Waliser von Petrus mit einer List aus dem Himmel vertrieben wurde: Er stellte sich vor das Himmelstor und rief laut caws pobi, caws pobi ! Als die Waliser ihm nacheilten, schloss er das Tor von innen ab … Die Vorliebe der Waliser für Käse ist auch durch seriöse historische Quellen belegt. Kühe und Schafe wurden vor allem wegen der Milch gehalten und, wenn überhaupt, erst in hohem Alter geschlachtet. In vielen europäischen Regionen mit Milchviehhaltung war Käse im Alltag ein Ersatz für Fleisch; das war nicht nur ein Witz, sondern Realität. Deshalb also Welsh Rabbit. Mich erinnert das an den kölschen Halven Hahn , der ja auch kein halbes Hähnchen, sondern ein Käsebrötchen ist – der Witz dahinter ist derselbe. Übrigens enthält das Wörterbuch der Brüder Grimm auch einen Eintrag zu »Berghenne« mit der Erklärung »die Bergleute nennen bildlich so eine schmale Kost von Käse, Brot und ungefetteter Wassersuppe«.
Der walisische Käsetoast hat sich im Laufe der Zeit aber stark verändert. Die ursprüngliche Zubereitung war sehr einfach und wird zum Beispiel von Hannah Glasse 1747 noch so erklärt:
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