Wie der Soldat das Grammofon repariert
komme am fünfundzwanzigsten an. Holunder und Pflaumen und Quitten gibt es dann noch nicht, dafür die wohlriechendsten Treppenhäuser. Du kannst mich gern anrufen unter: Null-null-vier-neun-einssieben-vier-acht-fünf-zwei-sechs-drei-sechs-acht.
Entschuldigen Sie die Störung. Es gab einmal ein blondes Mädchen mit dem arabischen Namen Asija und einen dunkelhaarigen Jungen mit dem keinesfalls arabischen Namen Aleksandar. Die Möglichkeit einer Liebesgeschichte ist durchaus gegeben: die Eltern könnten religiös sein und gegen diese Beziehung, die Konvention ist auf jeden Fall dagegen,
der Krieg macht jedes Dagegen zwingender. Alles schrecklich, weil doch das Herz entscheidet und so weiter. Ich muss Sie enttäuschen. Für eine Liebesgeschichte waren Asija und Aleksandar zu jung. Sie hatten noch kein Gefühl für das tragische Potenzial ihres Glücks und ihres möglichen Unglücks. Asiya, die Beschützte! Aléksandros, der Schützende! Ha! Die beiden hielten Hände und schalteten Licht ein, zu einer Zeit, als nur Verrückte daran dachten, unbeschwert zu sein. Nullnull-vier-neun-eins-sieben-vier-acht-fünf-zwei-sechs-drei- sechs-acht. Das ist meine Nummer, falls Sie Genaueres erfahren möchten. Entschuldigen Sie die Störung.
Die Koffer sind gepackt. Der Wein schmeckt gut. Nirgendwo wachsen so gute Pflaumen wie in Višegrad. Null-nullvier-neun-eins-sieben-vier-acht-fünf-zwei-sechs-drei-sechs- acht. Ich bin permanent erreichbar, die letzten zehn Jahre quasi. Ich habe ein Porträt von Višegrad in dreißig Listen geschrieben. Zuerst reise ich zu dir, Asija.
Ja, guten Abend. Ich bin nichts Besonderes. Meine Geschichte ist nichts Besonderes. Guten Abend. Ich komme zu allem zu spät. Ich komme zum Besonderen zu spät. Ich komme zu meiner Biografie zu spät. Guten Abend, Bosnien, ruf doch mal an: Null-null-vier-neun-eins-sieben-vier-acht-fünf-zweisechs-drei-sechs-acht.
Asija, ich werde dein Haar suchen und in allen Gesichtern deine Stirn. In alle Gespräche werde ich deinen Namen wie einen Samen säen und hoffen, dass er zu einer Blume wächst. Lieber Anrufbeantworter, kennen Sie eine Blume namens Asija? Falls ja: null-null-vier-neun-eins-sieben-vieracht-fünf-zwei-sechs-drei-sechs-acht. Entschuldigung …
Haaaallo? Haaaallo? Jemand da? Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind, ich bin Aleksandar Krsmanović, Student, Enkel, Flüchtling, langhaarig, großohrig, auf der Suche nach seiner
Erinnerung. Auf der Suche nach einem Mädchen. Eigentlich einer Frau. Asija. Kennen Sie Asija? Ich habe einmal einen irren Soldaten getroffen, der eine Emina gesucht hat. Kennen Sie eine Asija? Ich suche programmatisch. Das Programm: die Überhöhung der eigenen Geschichte und endlose Listen. Null-null-vier-neun-eins-sieben-vier-acht-fünf-zwei-sechsdrei-sechs-acht.
Asija? Asija? Asija? Asija. Asija. Asija.
Eines Tages fragte ein vorzüglicher Frager:
Wer ist das, was ist das? Verzeih mir!
Wo liegt es,
Woher kommt es,
Wohin geht es,
Dieses
Bosnien?
Sag!
Und der Befragte gab darauf eine schnelle Antwort:
Irgendwo gibt es so ein Bosnien, verzeih mir,
Ein Land kalt und karg,
Hungrig und nackt,
Und überdies noch,
Verzeih mir,
Trotzig
Vor Schlaf.
Ich bin es, Aleksandar. Das Gedicht ist von Mak Dizdar. Wenn du es bekommst, ruf an unter: Null-null-vier-neun-eins-sieben-vier-acht-fünf-zwei-sechs-drei-sechs-acht. Ich möchte dir die Geschichte von der Bäckerin erzählen, die in einer Sommernacht ’92 dreißig Säcke Mehl über die Višegrader Straßen, über die Brücke und über die Schande ausstreute und sich danach in ihrem kleinen Laden … –
Was die Wise Guys weise macht, wie hoch der Einsatz auf die eigene Erinnerung sein darf, wer gefunden wird und wer erfunden bleibt
A n Kikos richtigen Namen können sich Mesud und Kemo nicht erinnern. Die beiden Männer haben mir stundenlang zwischen Kaffee und Kaffee Legenden und Legendäres über Fußball in Jugoslawien, in Bosnien, in Sarajevo erzählt. Wir sitzen in einem kleinen Wettcafé oberhalb der Altstadt und Mesud sagt: vielleicht hat er einfach nur Kiko geheißen, wie die Brasilianer.
Kiko – die Neun, Kiko – das Kopfballungeheuer, Kiko – der Eisenschädel von der weichen Drina hatte in der letzten Halbsaison vor dem Krieg dreißig Tore gemacht, davon zwanzig mit dem Kopf, drei mit rechts, und die restlichen sieben alle mit dem schwächeren linken und alle in seinem letzten Spiel, nur einige Tage bevor in Sarajevo die ersten Schüsse fielen.
Ich
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