Wie deutsch ist das denn?!
folgende Fassung des schlesischen Dichters Karl von Holtei:
Gott erhalte unsern Kaiser,
Unsern Kaiser Ferdinand!
Reich, o Herr, dem guten Kaiser
Deine starke Vaterhand!
Wie ein zweiter Vater schalte
Er an Deiner Statt im Land!
Ja, den Kaiser, Gott, erhalte,
Unsern Kaiser Ferdinand!
Allerdings kann sich diese Version des Kaiserliedes nur kurze Zeit halten, denn sie bzw. ihr Urheber hat einen entscheidenden Webfehler: Der aus Breslau stammende Holtei ist preußischer Untertan und somit als österreichischer » Nationaldichter « eine gänzlich unpassende Besetzung– noch dazu, wenn es um die Loyalität zum Kaiser geht. So wird der Text schon nach wenigen Monaten durch einen anderen ersetzt, den der Dichter Johann Christian Freiherr von Zedlitz liefert. Seine Version singt man vom Februar 1836 bis zum März 1854:
Segen Östreichs hohem Sohne,
Unserm Kaiser Ferdinand!
Gott, von Deinem Wolkenthrone
Blick erhörend auf dies Land!
Laß Ihn, auf des Lebens Höhen
Hingestellt von Deiner Hand,
Glücklich und beglückend stehen,
Schütze unsern Ferdinand!
Man beachte: Zum ersten Mal kommt hier neben dem Kaiser auch das Wort » Östreich « vor. Die Zedlitz-Hymne ist auch die erste, die in sämtliche Sprachen der Donaumonarchie übersetzt wird– also ins Ungarische, Tschechische, Polnische, Illyrische, Kroatische, Serbische, Slowenische, Italienische, Ruthenische, Rumänische, Walachische, Neugriechische, Aramäische und Hebräische .
Währenddessen gelangt das Lied dann auch nach Deutschland, allerdings noch mit einem völlig anderen Text. Im Jahr 1840 greift der preußische Germanistikprofessor August Heinrich Hoffmann (der sich nach seinem Geburtsort » von Fallersleben « nannte) die Melodie ein erstes Mal auf. In seinem Lied » Der Deutsche Zollverein « preist er den freien Austausch von Waren innerhalb der Mitgliedstaaten dieser 1834 gegründeten Institution. Seine zweistrophige Urversion des heutigen Deutschlandliedes liest sich zunächst wie ein Kinderabzählreim:
Schwefelhölzer, Fenchel, Bricken, [11]
Kühe, Käse, Krapp, Papier,
Schinken, Scheren, Stiefel, Wicken,
Wolle, Seife, Garn und Bier;
Pfefferkuchen, Lumpen, Trichter,
Nüsse, Tabak, Gläser, Flachs,
Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter,
Rettig, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs!
Die zweite Strophe liefert dann die Auflösung:
Und ihr andern deutschen Sachen,
Tausend Dank sei euch gebracht!
Was kein Geist je konnte machen,
Ei, das habet ihr gemacht:
Denn ihr habt ein Band gewunden
Um das deutsche Vaterland,
Und die Herzen hat verbunden
Mehr als unser Bund dies Band.
Dass die Melodie schließlich doch noch den heute gültigen Text bekommt, verdanken wir letzten Endes einem Franzosen, nämlich dem Ministerpräsidenten Adolphe Thiers. Dieser fordert 1840 während seiner kurzen Regierungszeit, der Deutsche Bund solle sein gesamtes linksrheinisches Gebiet an Frankreich abtreten, und droht monatelang offen mit Krieg– womit er allerdings das Gegenteil erreicht und die national gesinnten Geister im Nachbarland erst recht in Wallung bringt. Vom aufgeheizten politischen Klima dieser Zeit zeugen Kampflieder wie » Die Wacht am Rhein « ( » Es braust ein Ruf wie Donnerhall « ).Auch Hoffmann von Fallersleben lässt sich davon anstecken: Am 26. August 1841, während eines Aufenthalts auf der damals noch britischen Insel Helgoland, nimmt er sich das österreichische Kaiserlied abermals vor und verpasst ihm einen neuen Text unter dem Titel » Das Lied der Deutschen « :
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt,
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!
Nach einem kroatischen Frühaufsteher und einer ganzen Galerie österreichischer Alleinherrscher, nach Schwefelhölzern, Fenchel und Bricken nun also endlich Deutschland– 44 Jahre nach Joseph Haydns Kaiserlied.
Aber die Irrfahrt ist noch längst nicht zu Ende. Acht Jahre später braucht man in Österreich wieder eine aktualisierte Fassung, denn zur Krönungsfeier Franz Josephs I. sind verständlicherweise weder sein Vorgänger Ferdinand noch Schwefelhölzer passende Liedinhalte. Die von Franz Grillparzer gedichtete neue Volkshymne findet jedoch bei Hofe keinen Anklang und bleibt daher für immer in der Schublade:
Gott erhalte unsern Kaiser
Und in ihm das Vaterland!
Der du Kronen hältst und Häuser,
Schirm
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