Wie deutsch ist das denn?!
Sancta Clara, schrieb erstmals konsequent auf Deutsch und verwendete in seinen Schriften auch ausgiebig das Wort » Deutschland « . Zum Vergleich: Unser winziger Nachbar Dänemark (Danmark) existierte schon im 8.Jahrhundert unter seinem heutigen Namen– und das nicht nur als Begriff, sondern auch als Staatswesen.
Das deutschsprachige Gebiet, auch wenn es landläufig immer öfter als Deutschland bezeichnet wurde, blieb dagegen jahrhundertelang ein Flickenteppich aus Fürsten- und Herzogtümern, Grafschaften, Reichsritterschaften, Reichsstädten, Städtebünden und kirchlich beherrschten Gebieten. Mit der sogenannten Reichsreform von 1495, die den verschiedenen Provinzfürsten noch mehr Macht und Kompetenzen gab, erlebte diese Zersplitterung ihren Höhepunkt. Die historisch gewachsene Eigenbrötelei ist noch heute an unserem föderativen deutschen Staat abzulesen: Da gibt es gewöhnliche Bundesländer, Freistaaten, Regierungsbezirke, Stadtstaaten, Kreisstädte, kreisfreie Städte, Hansestädte, eine » Freie Hansestadt « und– damit es ja keine Verwechslung gibt– auch noch eine » Freie und Hansestadt « .
Die deutsche Kleinstaaterei währt bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als im Gefolge der Französischen Revolution zaghaft ein neuer Geist einzuziehen beginnt. Mithilfe französischer Truppen entwickeln sich in der damaligen Kurpfalz erste Ansätze eines moderneren Staatswesens in Gestalt der 1792 gegründeten, kurzlebigen » Mainzer Republik « , während gleich nebenan in Frankfurt noch der letzte Kaiser des » Heiligen Römischen Reichs « residiert.
Das damals übermächtige Frankreich bestimmt auch in den Folgejahren das Geschick des zerbröselnden kaiserlichen Imperiums. Dem Vordringen Napoleons in Richtung Osten hat die lose Allianz aus Preußen, Österreich und diversen Fürstentümern nicht viel entgegenzusetzen – so streckt man 1801 die Waffen und schließt den » Frieden von Lunéville « , mit dem die Abtretung der linksrheinischen Reichsgebiete an Frankreich besiegelt wird. Die dort bislang herrschenden deutschen Adligen mit Ersatzterritorien zu versorgen erfordert nun allerdings eine größere Aufräumaktion: Sage und schreibe 112 Zwerg- und Stadtstaaten auf deutschem Boden werden per Federstrich abgeschafft und einer Landesherrschaft unterworfen. Was übrig bleibt, ist immer noch bunt genug für ein politisches Faschingskostüm.
Am 6. August 1806 muss Kaiser Franz II . auf Druck Napoleons abdanken, und damit endet nach über tausend Jahren offiziell die Ära der fränkisch-römisch-deutschen Kaiser. Sechs Jahre und diverse Schlachten später herrscht der kleine Korse über das gesamte Gebiet des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation. Aber nun hat es den Anschein, als seien die Deutschen– die sich inzwischen auch großenteils als solche fühlen– der ewigen Territorien- und Machtwechsel allmählich überdrüssig. Lebhaftes Zeugnis dafür ist ein flammender Appell, den der Schriftsteller und spätere Abgeordnete Ernst Moritz Arndt im Jahr 1813 verfasst, zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon:
Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt,
Das soll es sein!
Das, wackrer Deutscher, nenne dein!
Auch an diesen Zeilen sieht man: » Deutschland « steht in erster Linie für die gemeinsame Sprache, also das geografische Gebiet, in dem Deutsch gesprochen wird. So bezieht Arndt in weiteren Strophen gleich noch Österreich in seine Beschwörung ein, vergisst offensichtlich, dass auch die Schweiz einen deutschsprachigen Teil besitzt– lässt sich aber nicht die rhetorische Pflichtübung entgehen, jeden » Franzmann « als des Deutschen natürlichen Feind zu bezeichnen. Vor lauter Überschwang scheint ihn dabei nicht zu bekümmern, dass es in deutschen Landen unter Napoleon liberaler und aufgeklärter zugegangen sein dürfte als je zuvor.
Der Weg zu Arndts » deutschem Vaterland « erweist sich auch weiterhin als lang und steinig. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig und dem Sieg über Napoleon wird Mitteleuropa erst einmal wieder gründlich durcheinandergewürfelt. Ergebnis des Wiener Kongresses in der Schlussakte von 1815: An die Stelle des Heiligen Römischen Reiches tritt der » Deutsche Bund « unter Führung Österreichs, bestehend aus 35 souveränen Fürstentümern und vier freien Städten. Nur zu verständlich, dass diese Neuauflage eines zusammengestoppelten
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