Wie deutsch ist das denn?!
Multimonarchen-Ungetüms kaum jemanden so recht glücklich macht. Die entstehende deutsche Einheitsbewegung erreicht im Jahr 1817 einen ersten Höhepunkt mit dem Treffen deutscher Burschenschaften auf der Eisenacher Wartburg. Hier wird zum ersten Mal öffentlich die fortbestehende Kleinstaaterei angeprangert. Es ist der Beginn eines geistigen Aufstands, den die deutsche Ministerkonferenz in Karlsbad zwei Jahre später– unter dem Eindruck der Ermordung des Dichters August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand– mit den sogenannten Karlsbader Beschlüssen gründlich abwürgt.
Doch allmählich dämmert es auch dem letzten Provinzherrscher, dass man sich mit dem antiquierten Flickenteppich in Gefahr bringt, den Anschluss an die rasch fortschreitende Industrialisierung Europas zu verlieren. Die deutsche Einheit ist plötzlich keine bloße politische Schwärmerei mehr, sondern wird zu einer Frage des wirtschaftlichen Überlebens. 1828 führt diese Einsicht zur Gründung sogenannter Zollvereine, einer Art innerdeutschem Vorläufer des heutigen Schengener Abkommens. Zunächst wird ein solcher Pakt zwischen Bayern und Württemberg geschlossen, dann zwischen Preußen und Hessen. 1834 folgt der Deutsche Zollverein, mit dem endlich die letzten Schlagbäume fallen. Heinrich Heine konnte also nach erfolgreicher Einreise aus Frankreich aufatmen: Im Land selbst musste er keine weitere Belästigung durch preußische und andere » Douaniers « mehr befürchten.
Im Februar 1848 erlebt Frankreich eine zweite Revolution; der letzte König wird gestürzt und das Land in eine demokratisch regierte Republik umgewandelt. Auch diese Bewegung schwappt nach Deutschland über und führt zu einem weiteren hoffnungsvollen Schritt in Richtung Einheit: Noch im selben Jahr wird mit der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche das erste deutsche Parlament eröffnet. 1849 verabschiedet dieses Gremium auch die erste deutsche Verfassung, geprägt durch eine konstitutionelle Monarchie unter der Führung Preußens. Zum Kaiser wird Friedrich Wilhelm IV . von Preußen gewählt– doch als die meisten deutschen Königreiche und Kleinstaaten der neuen Reichsverfassung ihre Unterstützung versagen, lehnt Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone ab und drückt seinen Preußen eine eigene Verfassung aufs Auge. Die scheinbar unendliche Geschichte der deutschen Zerrissenheit geht weiter.
Erst Otto von Bismarck, den König Wilhelm I. 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten ernennt, schafft es, die politische Landkarte radikal umzugestalten. Nach dem Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erreicht er in zähen Verhandlungen, dass sich die süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund zu einem Gesamtstaat zusammenschließen. 1871 entsteht so das Deutsche Reich– der erste deutsche Nationalstaat der Geschichte, aber mit den privilegierten Königreichen Preußen und Bayern noch immer ein Abziehbild seiner wechselvollen Vorgeschichte.
Tempi passati. Zwei Weltkriege und einen kalten Krieg später sind wir endlich so weit: Aus dem Reich ist ein schlichtes Land geworden, und der Name Deutschland ist kein Jahrtausendmärchen mehr, sondern politische Realität.
Was lange währt, wird endlich gut? Bis dato jedenfalls können wir mit unserem jungen, erfolgreichen Staat durchaus zufrieden sein. Und irgendwann dürften auch die letzten innerdeutschen Antagonismen (Ossi– Wessi, Bayer– Saupreiß) der Vergangenheit angehören. Hoffen wir also mal das Beste.
Deutschlandlied
Frühmorgens in Kroatien
Gott erhalte Franz den Kaiser
für das deutsche Vaterland,
auferstanden aus Ruinen
walte seine Segenshand …
Klingt gar nicht mal so abwegig, oder? Offensichtlich ergeben Bayernhymne und DDR -Hymne plus Alt- und Neufassung des Deutschlandliedes auch als gut geschüttelte Cocktailzutaten genießbare Verse– was zugleich aber auch die lyrische und politische Achterbahnfahrt beleuchtet, die mit dem Besingen unserer (meist ungeeinten) Nation in den letzten zweihundert Jahren verbunden war. Dass die der Zeile » Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland « unterlegte Melodie ursprünglich mit einem kroatischen Text intoniert wurde, ist dabei nur eine von vielen historischen Kuriositäten.
Denn eine offizielle Nationalhymne besitzt Deutschland erst seit 1922 und ist damit vergleichsweise spät dran.
Vor der Reichsgründung 1871 bestand allerdings auch gar kein Bedarf an einer Hymne, weil es eine Nation namens
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