Wie deutsch ist das denn?!
auf die Britischen Inseln und nach Irland. Erstmals erwähnt und abgebildet wird sie dort 1597 von dem Botaniker John Gerard in seinem Hauptwerk The Herball or Generall Historie of Plantes. 1601 findet sich eine weitere Abbildung in dem Buch Rariorum plantarum historia ( » Geschichte seltenerer Pflanzen « ) des niederländischen Arztes und Botanikers Charles d’Écluse.
Die Erkenntnis, dass man Kartoffeln essen kann, setzt sich allerdings nur sehr zögerlich durch. Im Wettbewerb gegen die zartvioletten Blüten und das üppige Laub haben die unansehnlichen Wurzelknollen einfach einen schweren Stand. So verwendet man die Kartoffel jahrzehntelang vorwiegend als exotische Zierpflanze, zum Beispiel in botanischen Gärten. » Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, etwa lässt sie 1664 in den Gärten seines Berliner Schlosses Monbijou pflanzen, der polnische König Jan III . Sobieski erfreut sich in seinem Palastgarten an ihnen, und die französische Königin Marie Antoinette soll die Blüten im 18. Jahrhundert sogar als Haarschmuck getragen haben.
Was dem Verzehr im Wege steht, sind auch botanische Unzulänglichkeiten: Die Knollen der ursprünglich importierten Kartoffeln sind klein und haben wenig Geschmack, denn als Nachtschattengewächs braucht die Kartoffel relativ lange Nächte. An denen fehlt es im europäischen Sommer, und so reift unter der Erde nichts wirklich Appetitliches heran. Stattdessen verzehrt man aus Unwissenheit häufig die giftigen, tomatenähnlichen oberirdischen Früchte– was in der Regel heftige Magen- und Darmbeschwerden auslöst und den Ruf der Knollen weiter untergräbt. Die Kirche schmäht die Kartoffel sogar als » Teufelswurzel « , weil sie in der Bibel nicht vorkommt.
Erst nach und nach erkennt man den Nährwert der Knollen und beginnt, den europäischen Gegebenheiten angepasste Kartoffelsorten zu züchten. Hauptanbaugebiete sind zunächst Irland und England. Für einen ersten Boom in Deutschland sorgt dann König Friedrich II . von Preußen: Er erkennt die Kartoffel mit ihrem hohen Nährwert als Chance, sein Volk satt zu bekommen und Hungersnöte schon im Ansatz zu bekämpfen. Am 24. März 1756 erlässt er seinen legendären » Kartoffelbefehl « : » Wo nur ein leerer Platz zu finden ist, soll die Kartoffel angebaut werden, da diese Frucht nicht allein sehr nützlich zu gebrauchen, sondern auch dergestalt ergiebig ist, daß die darauf verwendete Mühe sehr gut belohnt wird. «
Der Appell des » Alten Fritz « fruchtet im wahrsten Sinne des Wortes. Allem anfänglichen Widerwillen zum Trotz lassen sich die preußischen Bauern breitschlagen, großflächig Kartoffeläcker anzulegen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die neue Nahrungsgrundlage bereits so weit durchgesetzt, dass ein Drittel der Landbevölkerung von nichts anderem mehr lebt. Mit dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 hat sie sich dann europaweit endgültig den Status eines Grundnahrungsmittels erobert, und heute ist die Kartoffel so global verbreitet wie kaum ein anderes Grundnahrungsmittel. In über 130 Ländern werden Kartoffeln angebaut; mehr als eine Milliarde Menschen essen sie– das bedeutet nach Reis und Weizen den dritten Platz unter den Nahrungslieferanten der Welt. Das Land mit der höchsten Kartoffelproduktion der Welt ist übrigens China, und in unseren heimischen Supermärkten findet man unter anderem Kartoffeln aus Ägypten, von den Kanarischen Inseln, aus Sizilien und Madeira.
So stammen die international meistverbreiteten und beliebtesten Kartoffelspezialitäten auch keineswegs aus Deutschland. Bei den Pommes frites streiten sich Belgier und Franzosen um die Urheberschaft ( » Currywurst « ); die Kartoffelchips wurden wahrscheinlich 1853 in den USA unter der Bezeichnung Saratoga Chips erfunden.
Internationaler geht’s also kaum. Typisch deutsch dürfte eher der Erfindungsreichtum sein, mit dem wir der Kartoffel auf die Pelle rücken und sie zu Reibekuchen, Bratkartoffeln, Kartoffelknödeln oder Suppe verarbeiten– um nur einige der zahlreichen Varianten zu nennen. Was die Vielfalt ihrer Zubereitungsarten betrifft, stehen wir also mit Sicherheit ganz weit oben auf der Weltrangliste. Und das ist ja schließlich auch etwas.
[19] BBC News Magazine vom 18.11.2012.
Lindenstraße
With a little help from Mr. Warren
» Second life « auf dem Fernsehschirm, und das in hochkonzentrierter Form: Seit dem 8. Dezember 1985 können TV -Zuschauer im Ersten allwöchentlich ein
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