Wie deutsch ist das denn?!
später übertreffen. 1979 gibt es im Schweizer Nationalrat eine weitere Weltpremiere: Mit Daniel Brélaz, dem heutigen Stadtpräsidenten von Lausanne, zieht zum ersten Mal ein grüner Politiker in ein nationales Parlament ein.
Am 23. März 1972 formiert sich auf der anderen Seite des Globus eine weitere grüne Partei auf regionaler Basis– die United Tasmania Group ( UTG ) in Australien. Einen Monat später folgt die Values Party in Wellington (Neuseeland) als erste national organisierte grüne Partei der Welt. Sie beteiligt sich an fünf nationalen Parlamentswahlen (1972, 1975 und 1978) und bekommt immerhin bis zu 5,2 Prozent der Wählerstimmen; aufgrund des geltenden Wahlrechts erringt sie allerdings keinen Sitz im Parlament. Die Enttäuschung darüber führt schließlich zur Aufspaltung der Partei. 1990 erlebt die Values Party jedoch im Verbund mit anderen Umweltorganisationen eine Renaissance und schafft es endlich auch, eine Reihe von Sitzen zu gewinnen.
In Europa wird die erste grüne Partei auf nationaler Ebene 1973 im englischen Coventry ins Leben gerufen. Ihre Gründer, das Rechtsanwaltsehepaar Tony und Lesley Whittaker sowie verschiedene Mitstreiter, nennen sie schlicht und einfach PEOPLE . Im Parteiprogramm berufen sie sich auf den Club of Rome – eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, die ein Jahr zuvor die berühmte Studie » Grenzen des Wachstums « vorlegt hatte. Nach diversen Flügelkämpfen benennt sich PEOPLE zwei Jahre später in Ecology Party um, 1985 dann in Green Party, um die Geistesverwandtschaft mit anderen europäischen Umweltparteien herauszustellen. Zum größten Erfolg wird die Wahl zum Europaparlament 1989, bei der die Green Party 15Prozent der Stimmen erringt.
Erst 1978 entsteht auch in Deutschland die erste Umweltpartei. Ihr Name: Grüne Aktion Zukunft ( GAZ ). Initiator ist der CDU -Politiker Herbert Gruhl, Abgeordneter des Bundestages und umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Aus Unzufriedenheit über die Umweltpolitik der CDU verlässt er am 12. Juli die Partei und verschreibt sich mit seiner Neugründung konsequent dem Umweltschutzgedanken. Im Rahmen einer Gemeinschaftsliste– zu der auch die spätere Grünen-Sprecherin Petra Kelly gehört– beteiligt sich die GAZ im Folgejahr an der Europawahl und kommt auf 3,2 Prozent der Stimmen.
Aus der Keimzelle der GAZ (die sich jedoch bald abspaltet) und ergänzt um diverse andere Umweltgruppierungen sowie linke und alternative Wahlbündnisse gehen am 12. Januar 1980 in Karlsruhe schließlich Die Grünen hervor– als westdeutsche Ausgangsbasis der heutigen gesamtdeutschen Partei Bündnis 90 / Die Grünen. Wie jeder weiß, hat dieser im Grunde sehr bunte Haufen seitdem eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben– ein schöner Beleg dafür, wie gelassen und selbstverständlich wir heute mit der Buntheit umgehen können: Wenn an Deutschland etwas international und multikulturell ist– von den Ursprüngen und Ideen wie von den Mitgliedern her–, dann sicherlich Die Grünen!
[17] Walter Krämer: Die Angst der Woche. Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten, München 2011.
[18] Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3.6.2012.
Kartoffeln
Die Schönen vom Titicacasee
Kindermund tut Wahrheit kund. Glaubt man dem Sprichwort, dann gehören Kartoffeln nicht nur zu den deutschesten aller Nahrungsmittel, sondern belegen auch insgesamt einen Spitzenrang unter den identitätsstiftenden Merkmalen unserer Nation. Eine Umfrage der Zeitschrift Eltern Family aus dem Jahr 2007 legt diesen Schluss jedenfalls nahe. 19 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen votierten hier für die Kartoffel als etwas typisch Deutsches. Das bedeutet den vierten Platz hinter Bier, Wurst und Sauerkraut– was auch aus ausländischer Sicht scheinbar ins Schwarze trifft. Der BBC -Korrespondent Stephen Evans bestätigte nach einem Berliner Gastmahl naserümpfend: » Deutsche sind wirklich genügsam. Sie lieben gekochte Kartoffeln. « [19]
Die Deutschen und ihre meistgefutterte Knolle– ein uraltes, inniges Liebesverhältnis? Und so typisch, dass man uns statt » Krauts « genauso gut » Kartoffels « nennen könnte?
Dass es nicht so ist, zeigt eigentlich schon der weltumspannende Massenverzehr gelber Stäbchen bei McDonald’s und Konsorten. Werfen wir also einen Blick in die Geschichte und über den Tellerrand, um den wahren Verhältnissen auf die Spur zu kommen.
Tatsächlich hatte die Kartoffel in Deutschland (wie auch im
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