Wie deutsch ist das denn?!
Fernsehzuschauer einen solchen Serien-Overkill irgendwann satt gehabt hätten. Aber weit gefehlt: Coronation Street läuft und läuft und läuft, bei inzwischen zwar abgeebbter, aber noch immer enormer Beliebtheit. Am 27. Juli 1981 beispielsweise, als zwei der Seriendarsteller im Rahmen der Handlung heirateten, saßen über 24 Millionen Menschen vor den Geräten– mehr als bei der realen Hochzeit von Prinz Charles und Diana Spencer zwei Tage später. Den absoluten Rekord hält bis heute die Weihnachtsfolge von 1987 mit 27 Millionen Zuschauern. Das entspricht fast 48 Prozent der damaligen Gesamteinwohnerzahl des Vereinigten Königreichs, vom Säugling bis zum Greis.
Gegen solche Traumwerte sieht die Lindenstraße eher alt aus, obwohl sie 25 Jahre jünger ist. Vom Start weg litt sie an Zuschauerschwund, und dieser Negativtrend ist bis heute ungebrochen. Erreichte die Serie in den ersten drei Jahren noch zwischen 10 und 13 Millionen Zuschauer, so sank deren Zahl ab Ende der Achtzigerjahre kontinuierlich um rund eine halbe Million pro Jahr. In den Neunzigern musste man sich bereits dauerhaft mit einstelligen Millionenziffern begnügen; nach dem Jahrtausendwechsel rutschte die durchschnittliche Zuschauerzahl dann auf unter fünf Millionen. Aktuell kommt die Lindenstraße auf rund drei Millionen Zuschauer pro Folge. Das liegt bereits unter dem Durchschnittswert aller Sendungen des WDR – von einem Quotenrenner kann also längst keine Rede mehr sein.
Coronation Street dagegen hält sich noch immer wacker im achtstelligen Bereich. Und das trotz gewichtiger Konkurrenz im eigenen Land: Am 19. Februar 1985– also ebenfalls noch vor dem Sendebeginn der Lindenstraße – startete BBC One eine vergleichbare Soap, die Serie EastEnders, die im fiktiven Londoner Stadtviertel Walford spielt. Schon ein Jahr darauf war Coronation Street auf Platz zwei verwiesen, und im Lauf der Zeit gelang es EastEnders, die Konkurrentin auch auf Dauer zu überflügeln. Zusammengenommen erreichen beide Serien heute im Durchschnitt über 20 Millionen Zuschauer pro Folge.
Man sieht: Anscheinend haben es die Briten deutlich mehr mit Stadtviertel-Serien als wir Deutsche. Vielleicht denken wir auf dem Kontinent inzwischen doch zu europäisch, als dass uns eine Familie Beimer und ihre kleinbürgerliche Nachbarschaft noch vom Hocker reißen könnten. Jedenfalls munkelt man, dass die Lindenstraße in den nächsten zwei bis drei Jahren endgültig eingestellt werden soll. Aber ein Trost bleibt uns allemal: Das reale Leben geht weiter.
Marschmusik
Einführung aus dem Serail
Peng, klatsch, rumms, tatütata: Was lautmalerische Bildungen betrifft, quillt der deutsche Sprachschatz förmlich über, und er wird ständig um weitere Perlen bereichert– von Perdatsch oder Klickeradomms (Wilhelm Busch) über Spotz oder Britzel (Erika Fuchs) bis hin zu Glorz oder Kaschumpf (Rötger Feldmann alias » Brösel « ).
Aber welche von all diesen Schöpfungen kann es an krachender Volkstümlichkeit mit Tschingderassabum und Schnedderengteng aufnehmen? Und welche sonst klingen so urdeutsch? Die beiden Wortungetüme genießen eine solche Popularität, dass sie selbst der Gralshüter unserer Sprache, Der große Duden, in seinen festen Bestand aufgenommen hat. 1963 gelang es allerdings dem Mainzer Karnevalskomponisten Toni Hämmerle, mit der Variante Humba Täterä noch eins draufzusetzen – während es Brösels Umpftrötelradiruu [20] bislang nicht in die Umgangssprache geschafft hat. Auch Loriots legendäres Tata-uff, tata-uff wird in der Regel nur im Zusammenhang mit dem Sketch zitiert, aus dem es stammt: » Weihnachten bei Hoppenstedts « .
Doch immerhin: Allein diese Vielfalt lässt schon ahnen, dass die Marschmusik in uns Deutschen quasi genetisch angelegt sein muss. Klingendes Spiel, Preußens Gloria, Großer Zapfenstreich und überhaupt, das Marschieren! Schon in frühester Kindheit wird es uns doch förmlich eingebläut: » Marsch, ab in die Heia! «
Hier ist nun allerdings dasselbe einzuwenden wie bei den Kindheitsbegriffen Mama und Papa: Das Wort » Marsch « hat gar keine deutschen Wurzeln, sondern wurde erst während des Dreißigjährigen Krieges vom gleichlautenden französischen marche entlehnt. Ausgerechnet der so zackig-deutsch klingende Befehl » Marsch! « ist also ein welscher Import.
Aber auch an Humba Täterä, Schnedderengteng und Tschingderassabum findet sich bei genauerer Betrachtung nicht viel originär Deutsches: Schnedderengteng oder Täterä
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