Wie deutsch ist das denn?!
beschreiben das für Marschmusik typische Trompetengeschmetter– und die Trompete wurde natürlich nicht in Deutschland erfunden, sondern ihre Geschichte reicht mindestens dreieinhalbtausend Jahre zurück bis ins alte Ägypten. Tschingderassabum beginnt zufällig, aber durchaus passend mit einer chinesisch klingenden Silbe. Tsching steht für die Zimbel oder das Becken– ein uraltes asiatisches Schlaginstrument, das von China aus über die Türkei erst im 17. Jahrhundert den Weg nach Westeuropa fand. Das Rassa wiederum bezieht sich auf das Rasseln der Kleinen Trommel (in der Jazz- und Rockmusik später mittels Spiralteppich verstärkt), das Bum oder Humba auf den dumpfen Ton der Großen Trommel oder Basstrommel. Beide Instrumente haben ihren Ursprung ebenfalls im alten Orient. Allerdings scheint das Trommeln dem Menschen ohnehin in die Wiege gelegt zu sein: Selbst Primaten bearbeiten mit den Händen rhythmisch Gegenstände oder den eigenen Brustkorb, um ihren Machtanspruch innerhalb der Sippe zu betonen.
Und die Marschmusik selber? Auch da dürfen wir weit in die Antike zurückblicken–vergleichbare Rhythmen sind schon um 1600 v. Chr. für das ägyptische und ab 500 v. Chr. für das römische Heer belegt . Was nicht verwundert, denn der Marsch leitet sich vom gleichmäßigen Stapfen Hunderter oder Tausender Füße ab, wie es Heereszügen eben seit Urzeiten zu eigen ist. Schlaginstrumente, wie wir sie heute kennen, fanden gleichwohl relativ spät ihren Weg nach Mitteleuropa. Erst während der Kreuzzügeab dem 11. Jahrhundert entdeckten christliche Heere die Feldmusik der Sarazenen und mit ihr die zweifellige Zylindertrommel und die Militärpauke– so gelangte das » Rassabum « in den Klangkörper abendländischer Kapellen.
Zu einem großen Teil hat unsere heutige Marschtradition auch türkische Wurzeln. Ab dem frühen 18. Jahrhundert wurde es in europäischen Armeen Mode, die Musik der Janitscharen nachzuahmen– einer Elitetruppe, die im Osmanischen Reich unter anderem die Leibgarde des Sultans stellte. Charakteristisch für deren Stil sind vor allemSchlaginstrumente wie Becken, Tamburin, Pauke, Trommel, Triangel und Schellenbaum–ganz besonders aber die Große Trommel (anfangs noch » Türkentrommel « genannt), wie sie heute aus keiner Marschkapelle mehr wegzudenken ist. Das Ungetüm, das dem » Bum « erst seine Urgewalt verleiht, wird von alters her vor dem Bauch getragen und mit Muskelkraft und Schlegeln beidseitig bearbeitet.
Die osmanischen Militärkapellen sind vermutlich die weltweit älteste Form von Musikgruppen, auf die der Begriff » Marschmusik-Kapelle « im heutigen Sinne zutrifft. In der Türkei– wo ihre Tradition als Volksfest- und Touristengaudi noch heute lebendig ist– bezeichnete man sieals mehter bölü ğ ü (so viel wie » Musikantentruppe « ), wobei mehter für die einzelnen Musiker steht. Die erstendieser türkischenSpielleute waren vermutlich ein Geschenk des seldschukischen Sultans Kayqubad III . an den legendären Herrscher Osman I. im 14. Jahrhundert.
Im Verlauf der Türkenkriege, die sich über rund dreihundert Jahre hinzogen, gelangte die Musik der mehter bölüğü (heute mit französischem Einschlag mehter mar şı genannt) dann auch in unseren Kulturkreis. Der britische Musikwissenschaftler Henry George Farmer (1882 – 1965) beschreibt in seinem 1912 erschienenen Buch The rise & development of military music, wie die neue Welle über Polenund Russland nach ganz Europa hereinschwappte:
» In sehr kurzer Zeit erfasst das Virus der ›türkischen Musik‹ die meisten europäischen Armeen. Die Gründung von Militärkapellen in Österreich-Ungarn wird auf das Jahr 1741 datiert, als Freiherr von der Trenck an der Spitze seiner Truppen in Wien einmarschierte, ihm vorangehend eine türkische Kapelle. Etwa zur gleichen Zeit findet die Musik ihren Weg ins französische Corps d’élite, und Marschall de Saxe [21] verwendet sie während des Krieges von 1741 bei seinen Ulanen … Selbst der mächtige Staatsmann und General Friedrich der Große fand keine Ruhe, bis er Proben dieser Musik gehört hatte, und die eindrucksvolle Erscheinung dieser Orientalen … gefiel ihm so sehr, dass er bei allen Kapellen seiner Regimenter Schlaginstrumente einführte. Für deren Bedienung engagierte er mit Turbanen bekleidete und herausgeputzte Schwarze. «
Letztere Idee übernahm der » Alte Fritz « von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I., der aus einer exotischen Laune heraus als vermutlich
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