Wie deutsch ist das denn?!
steigt tendenziell und stabilisiert sich inzwischen auf hohem Niveau. Die erste gesamtdeutsche Vereinsstatistik aus dem Jahr 2001 wies bundesweit 544 701 eingetragene Vereine aus, 2003 waren es bereits 574 359, und 2005 erreichte die Zahl mit 594 277 ihren Höhepunkt – eine Steigerung um fast elf Prozent innerhalb von vier Jahren. 2011 waren immerhin noch 580 298 Vereine eingetragen; das entspricht rund sieben Vereinen pro tausend Bundesbürger. Dazu kommt noch eine Vielzahl nicht eingetragener Vereine und Clubs sowie anderer nichtkommerzieller Organisationen. Somit wären die Verhältnisse wieder geradegerückt: Deutschland, Mutterland und Dorado des Vereinswesens – da lassen wir uns doch von niemandem in die Suppe spucken!
Das wird auch niemand wollen, nur lohnt sich auch hier ein Blick über den Tellerrand, denn vereinsähnliche Zusammenschlüsse gab und gibt es in fast allen Ländern, und das schon seit der Antike – ganz einfach aus dem Wunsch heraus, eigene Interessen mit einer Gruppe Gleichgesinnter zu teilen. Die Spur des Vereinswesens lässt sich bis ins alte Griechenland zurückverfolgen, wo im 6. Jahrhundert v. Chr. die hetairia (Hetärie) als früher Vorläufer des heutigen Vereins entstand. Ursprünglich waren Hetärien Zusammenschlüsse von Adligen, die dort das betrieben, was man heutzutageunter Networking versteht. Diese Zirkel einten die unterschiedlichsten Interessen– von Handel, Religionsausübung und Vetternwirtschaft bis zu gemeinsamen Mahlzeiten und diversem anderem Zeitvertreib.
Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. politisierten sich die Hetärien zunehmend und wurden zu Vereinigungen von Parteigenossen, die sich gegenseitig bei Kandidaturen oder Prozessen unterstützten. Teilweise mutierten sie zu Geheimbünden und übten großen, häufig antidemokratischen politischen Einfluss aus. In spätantiken Quellen findet sich die Hetärie auch als Bezeichnung für eine Berufsgemeinschaft oder Innung, ähnlich dem lateinischen collegium.
Womit wir beim antiken Rom wären: Dort bestanden in der Kaiserzeit rund 80 vereinsähnlich organisierte Gilden, die praktisch alle Berufsgruppen umfassten– » von Bankiers und Ärzten bis hin zu Esel- und Maultiertreibern « , wie es die Encyclopedia Britannica anschaulich umschreibt. Daneben, man lese und staune, gab es schon damals Frauenvereine, deren Einfluss weit in Politik und Gesellschaft hineinreichte. In vielen Regionen des ausgedehnten Imperiums schlossen sich zudem ausländische Bürger zu Freundeskreisen zusammen, die man nach heutiger Lesart als » Heimatvereine « bezeichnen könnte.
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches lichtete sich die Vielfalt sozialer Zusammenschlüsse. Was blieb, waren die handwerklichen Zünfte des Mittelalters und später die Kaufmannsgilden, die im 8. Jahrhundert in Frankreich entstanden. Erst ab dem Spätmittelalter begann sich vereinsmäßig wieder etwas zu regen. Im 14. Jahrhundert kamen in England die ersten Clubs auf– zunächst als informelle Treffen von Freundeskreisen, später zunehmend in Regeln gefasst und bis hin zum Kassenwart arbeitsteilig organisiert. Eine solche Vereinigung, der er selber angehörte, erwähnt erstmals der Dichter Thomas Hoccleve (1368 – 1426). Sein Club war 1413 in London als karitative Einrichtung gegründet worden und trug den französischen Namen La Court de Bonne Compagnie ( » Der Hof guter Gesellschaft « ).
Zur Blüte gelangte das Clubwesen ab dem 16. Jahrhundert, und im 17. und 18. Jahrhundert waren die Clubs bereits prägend für den britischen Lebensstil– ganz besonders die Gentlemen’s Clubs in London ( » Stammtisch « ). Im 19. Jahrhundert erfasste das Clubfieber dann auch den Sport: 1857 entstand mit dem Sheffield F.C. der erste Fußballclub der Welt, ein Jahr später folgten die Tennisspieler mit der ehrwürdigen Edgbaston Archery & Lawn Tennis Society in Birmingham. Selbst die Tradition des gemeinsamen Liedersingens im Verein hat ihren Ursprung in Großbritannien. Schon im Jahr 1787 findet sich an der Harrow School in London erstmals die Erwähnung eines (Männer-)Gesangvereins in Gestalt eines glee club. Das glee ist eine spezielle englische Liedform, die ihre Blütezeit zwischen 1750 und 1850 erlebte. Danachwurden die glee club s Zug um Zug von » normalen « Gesangsvereinen ( choral societies ) abgelöst, wie es sie seit dem frühen 19. Jahrhundert auch in Deutschland gibt; nur für die Chorvereine amerikanischer Hochschulen ist die Bezeichnung glee club
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