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Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
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Steinpilze, Nüsse und Rosinen geläufig, und die Wurst wird sowohl in gebrühter als auch in gebratener oder gegrillter Form genossen– gelegentlich sogar kalt.
    Neben Frankreich gibt es noch ein paar weitere Länder, mit denen wir uns die Weißwurst teilen. So hat sie es als Import in die ehemals französischen Gebiete der USA geschafft, wo boudin blanc in stark abgewandelter Rezeptur, gefüllt mit Schweinefleisch und Reis, zu den regionalen Spezialitäten des Bundesstaates Louisiana gehört.
    Eine eigene Entwicklungsgeschichte steht hinter der Polnischen Weißwurst (kie ł basa biała), die man traditionell zu Ostern isst. Sie wird üblicherweise mit Knoblauch und Majoran gewürzt und kommt entweder gekocht oder gebraten auf den Tisch– anders als ihre bayerischen und französischen Schwestern jedoch nicht solo, sondern meist als Suppeneinlage in ż urek, einem sehr nahrhaften säuerlichen Eintopf mit Brotkrusten und hart gekochten Eiern. Alternativ serviert man sie auch als Hauptgericht mit Polnischer Soße, einer süßsauren, mit Lebkuchen gebundenen Weinsauce. Als weitere Spielart gibt es die Schlesische Weißwurst. Sie wird wie die boudin blanc zu Weihnachten gegessen, in der Regel mit Fisch- oder Lebkuchensoße (hier jedoch ohne Wein). Als Beilagen sind Kartoffeln, Kartoffelsalat, Püree oder Sauerkraut üblich.
    Wen als Anhänger der reinen Senf- und Brezenlehre spätestens jetzt das Grauen packt, dem sei schnelles Weiterblättern empfohlen. Es kommt nämlich noch dicker, denn » die beste Weißwurst außerhalb Münchens « ( Süddeutsche Zeitung vom 18.2.2009) soll es seit Jahren in einer Hamburger Metzgerei geben. Und um das Maß voll zu machen, entstand parallel zu München auch in Norddeutschland im frühen 19. Jahrhundert eine eigene Variante der Weißwurst– die Hamburger Weißwurst, auchbekannt als boudin hambourgeois, die aber ebenso wie ihre bayerische Schwester von der boudin blanc inspiriert war.
    Es geschah nämlich im Jahr 1813, während der Herrschaft von Kaiser Napoleon, dass der Leibkoch des französischen Generals Louis-Nicolas d’Avoût– damals Generalgouverneur des Elbmündungs-Departements– eine Luxusvariante der Weißwurst erfand. Deren Füllung bestand aus reinem Kalbfleisch, und als Krönung fügte der Maître eine Portion Kaviar hinzu. Den musste er übrigens nicht aus Russland importieren, sondern hatte ihn praktisch vor der Haustür– nämlich in der Elbe, die seinerzeit noch von Stören und Lachsen wimmelte. Von Feinschmeckern wurde diese Kreation in den höchsten Tönen gelobt– sie ist sogar in dem berühmten Kochbuch Le grand dictionnaire de cuisine ( » Das große Wörterbuch der Kochkunst « ) des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas überliefert, der sie außerordentlich schätzte.
    Nach dem Abzug der napoleonischen Truppen beeilten sich die Hamburger dann jedoch, alles Französische aus Leben und Erinnerung zu verbannen. Immerhin hatte General d’Avoût, der » Robespierre von Hamburg « , während seiner Herrschaft mehr als 20 000 Menschen aus der Stadt vertreiben und Tausende von Wohnungen niederbrennen lassen. So wurde die Kaviar-Weißwurst quasi in Sippenhaft genommen und geriet bald in Vergessenheit. Bis ein neugieriger Koch des 21. Jahrhunderts auf das Rezept stieß und es aus seinem Dornröschenschlaf erweckte: Seit einigen Jahren serviert der aus Nordfriesland stammende Michael Weißenbruch die boudin hambourgeois in seinem Hamburger Restaurant– wie ihr französisches Vorbild besteht sie aus Kalbfleisch und ist mit Keta-Kaviar verfeinert. Auch in der legendären » Oberhafen-Kantine « steht die Hamburger Weißwurst seit 2008 wieder auf der Speisekarte. Allerdings verzichtet man hier auf den Kaviar, um das eher bodenständige Preisniveau nicht zu sprengen, und fügt stattdessen zwei Sorten Hering hinzu. Serviert wird das Ganze mit süßem Senf, Schwarzbrot, Radieschen und geriebenen Möhren, auf Wunsch auch mit Kartoffelsalat.
    Die bayerischen Leser, die sich nun mit Gänsehaut abwenden, seien an das alte Sprichwort erinnert: » Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. « Also nur Mut und einfach mal probieren! Weder die Hamburger Weißwürste noch jene unserer westlichen und östlichen Nachbarn hätten auf Dauer Bestand gehabt, wenn sie nicht genießbar wären.

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