Wie deutsch ist das denn?!
gekommen sein; die überlebenden Frauen töteten angeblich ihre Kinder und sich selbst, um nicht in römische Gefangenschaft zu geraten. Die Kimbern waren unterdessen nach Oberitalien weitergezogen. Ein Jahr später wurden auch sie bei Vercellae (dem heutigen Vercelli zwischen Turin und Mailand) von römischen Legionen buchstäblich ausgelöscht.
Mit diesen historischen Schlachten verschwanden beide Stämme auf Nimmerwiedersehen aus der Geschichte, vor mehr als zweitausend Jahren. Kein heutiges Volk stammt somit von den Teutonen ab, weder südlich noch nördlich der Alpen. Es wäre ja auch allzu schaurig und würde schlimmste Vorurteile zementieren, wenn wir wirklich solches Erbgut in uns trügen. Legen wir uns also guten Mutes auf den Solargrill und lassen uns als das braten, was wir sind: schlicht und einfach Deutsche.
Toast Hawaii
Aloha, Monsieur
Eine Scheibe Toast, gebuttert, mit Schinken belegt und mit Schmelzkäse überbacken, darauf eine Scheibe Ananas und das Ganze gelegentlich noch von einer Cocktailkirsche gekrönt… Na, wie deutsch ist das denn?
Die Antwort kann man sich fast denken: überhaupt nicht– auch wenn die legendäre Südseestulle (mehr oder weniger) in Deutschland erfunden wurde. Tatsächlich ist der Toast Hawaii eine Abwandlung der traditionellen französischen Sandwich-Spezialität » Croque-monsieur « , kombiniert mit einer aus Lateinamerika stammenden Südfrucht und einer kroatischen Kirschsorte– und um die bunte Mischung voll zu machen, trägt das Ganze auch noch einen englisch-polynesischen Namen.
Ein kleiner Ausflug in die Historie: Der Croque-monsieur (Schinkentoast mit Käse überbacken), bodenständige Grundlage des Toast Hawaii, wurde bereits 1910 in einem Pariser Café erfunden und gehört seitdem zu den Fast-Food-Klassikern Frankreichs. Den beim Hawaii-Toast verwendeten Schmelzkäse verdanken wir den Schweizer Pionieren Walter Gerber und Fritz Stettler von der Firma Gerberkäse AG in Thun, die ihn 1911 erstmals industriell herstellte. Die Ananas wiederum kultivierte man in Süd- und Mittelamerika schon lange vor der Ankunft der ersten Europäer. Später wurde sie hauptsächlich auf den Hawaii-Inseln angebaut, sodass der pazifische Archipel zu einem der Hauptexporteure weltweit aufstieg– was den Namen » Toast Hawaii « durchaus nahelegt. Inzwischen allerdings sind die Inseln weit ins Hintertreffen geraten und liegen nur noch auf Platz 18 der Anbaugebiete. Wichtigste Produzenten sind heute Brasilien, Thailand und die Philippinen.
Maraska-Sauerkirschen schließlich, die durch Einlegen in Maltosesirup zu den geschmacksfreien Cocktailkirschen (Maraschino-Kirschen) werden, stammen ursprünglich von der dalmatinischen Küste. Man sieht, es wird immer internationaler.
Immerhin, die dekorative, wenn auch nicht unbedingt deliziöse Idee mit der Ananasscheibe und der Cocktailkirsche stammt tatsächlich von einem Deutschen: Es ist der Schauspieler Clemens Wilmenrod, der Anfang 1953 mit der ersten Kochsendung des Deutschen Fernsehens vor die Kamera trat. Carl Clemens Hahn, wie er eigentlich hieß (Wilmenrod ist die Gemeinde seines Geburtsorts im Westerwald), beendete damit eine eher flau dahindümpelnde Karriere und wurde schlagartig zum Star des Abendprogramms. Seine viertelstündige Show » Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch « war in den Folgejahren ein Straßenfeger, der Deutschlands Fernsehpublikum 185-mal vor den Bildschirmen bannte und alle Zuschauerrekorde brach. Dabei war der vermeintliche Koch Autodidakt, und angesichts von nur fünfzehn Minuten für ein ganzes Menü würden unsere gegenwärtigen Kochgrößen vermutlich nur den Kopf schütteln. Doch mithilfe eines Infrarotgrills und viel alkoholischem Flammenzauber schaffte es Wilmenrod tatsächlich, seine Gerichte live im Zeitraffertempo zuzubereiten.
Im Jahr 1955 stellte er seine erfolgreichste und zählebigste Schöpfung, den Toast Hawaii, erstmals vor. Eine Sensation! Auch wenn wir heutigen Wohlstandsbürger, die mal eben per Billigflieger wer weiß wohin düsen, darüber nur milde lächeln mögen– schon mit der Grundkomposition war Wilmenrod seiner Zeit ein ganzes Stück voraus. Immerhin musste noch Anfang der Sechzigerjahre die damalige deutsche Familienillustrierte Praline ihren staunenden Lesern erklären: » Ein Stück geröstetes Brot nennt man in England Toast. « Das macht umso deutlicher, wie aufregend dieses Stück Exotik war, das man heute eher als Fast Food abqualifizieren würde. Nun, der Begriff »
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