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Wie deutsch ist das denn?!

Wie deutsch ist das denn?!

Titel: Wie deutsch ist das denn?! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ahrens
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noch heute gängig.
    Kurz und gut– die Wiege des neuzeitlichen Vereinswesens steht ganz klar auf der Insel, und da macht den Briten bis heute niemand etwas vor. Das spiegelt sich auch in aktuellen Zahlen: Während die Zahl der Vereine in Deutschland knapp unter der 600 000er-Marke pendelt, geht sie im Vereinigten Königreich in die Millionen; jede bessere Universität bringt es allein auf Dutzende eigener Sportclubs.
    Zur Herkunft des Wortes Club (oder in neudeutscher Schreibweise » Klub « ) gibt es übrigens verschiedene Theorien, die aber so oder so auf eine Art Kerbholz hinauslaufen. Eine mögliche Wurzel ist das altisländische klubba (Knüppel oder Kerbstock), das sich im Mittelenglischen als clubbe (Keule) wiederfindet– gemäß dem alten Brauch, den Clubmitgliedern das nächste Treffen durch Herumsenden eines Kerbstocks anzukündigen. Die zweite Herleitung weicht davon etwas ab, haut aber letztlich in die gleiche Kerbe. Sie bezieht sich auf die indogermanische Wurzel ghleub (schnitzen, kerben ), die im Altenglischen als cleofan wieder auftaucht. Damit wäre das Wort Club eng verwandt mit dem neuhochdeutschen klauben und dem süddeutschen Mundartbegriff klieben (spalten).
    Der » Verein « macht es uns da wesentlich einfacher– was das Wort meint, erschließt sich von selbst. Seine Wurzel ist das indogermanische oinos, das gleichbedeutend in die meisten europäischen Sprachen Eingang gefunden hat. 1408 wird das Wort » Verein « zum ersten Mal in einem Wörterbuch aufgeführt, hier noch in ganz allgemeiner Bedeutung als das Verbinden mehrerer Dinge oder Personen zu einer Einheit. Die Definition als Bündnis von Menschen mit gemeinsamen Interessen kam erst wesentlich später auf; sie ist erstmals 1534 schriftlich belegt.
    Und damit kommen wir endlich zu Deutschland: Die ersten vereinsähnlichen Gemeinschaften entstanden bei uns im Lauf des 18. Jahrhunderts, also rund vierhundert Jahre nach den ersten englischen Clubs. Sie hatten zunächst– wie der 1776 gegründete Illuminatenorden– einen politischen Hintergrund, verfolgten emanzipatorische Ziele und waren damit der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Später kamen patriotische Motive hinzu: Der erste Zusammenschluss, der sich explizit » Verein « nannte, war der 1808 in Königsberg gegründete Tugendbund, der sich vordergründig wohltätigen Zwecken verschrieben hatte, insgeheim aber auch gegen die französische Fremdherrschaft kämpfte.
    Grundlage des deutschen Vereinswesens war das seit 1794 geltende, noch von Friedrich dem Großen in Auftrag gegebene Allgemeine Preußische Landrecht. Es gewährte den Untertanen Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, verbot aber gleichzeitig jede politische Betätigung innerhalb von » Gesellschaften « , wie Vereine damals noch offiziell tituliert wurden. Ähnlich halbherzige, von Subversionsangst geprägte Regelungen bestanden bis 1848 in allen deutschen Staaten. Die im Dezember 1848 proklamierten Grundrechte garantierten dann zwar für ganz Deutschland das freie Vereins- und Versammlungsrecht, traten aber nie in Kraft und mussten von der Bundesversammlung 1851 auch formell wieder aufgehoben werden. Für die nächsten zwanzig Jahre hielten sich die Landesherren an Maulkorb und Leine: Die Vereine blieben unter Kontrolle der jeweiligen Obrigkeit, wurden streng überwacht und durften sich keinesfalls politisch betätigen.
    Erst mit der Reichsverfassung von 1871 wurde das Vereinswesen deutschlandweit einheitlich geregelt und zumindest in Teilen liberalisiert. Nun waren auch politische Vereine zugelassen, wenn auch mit einer Reihe von Auflagen– so war es etwa Angehörigen des Militärs nicht erlaubt, solchen Vereinen beizutreten. Nichtsdestotrotz ließ das neue Klima die Lust am Verein prächtig gedeihen. Kriegervereine, Turn- und Sportvereine, Gesangsvereine und Tierzuchtvereine schossen in der Folgezeit wie Pilze aus dem Boden. Viele von ihnen folgten dabei dem britischen Vorbild und nannten sich Club – vor allem in den Sportarten Fußball und Tennis, die ja ebenfalls von der Insel zu uns eingewandert sind. Beispiele dafür sind der Berliner Fußball-Club Germania 1888und der Heidelberger Tennisclub 1890, beides die ältesten deutschen Vereine ihrer jeweiligen Disziplin. Auch international hat sich das englische club (neben der association ) als populärste Vereinsbezeichnung eingebürgert.
    So einmalig wir Deutschen als » Vereinsmeier « also auch sind, weil wir dieses Wortgebilde exklusiv für uns gepachtet haben:

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