Wie deutsch ist das denn?!
Wir befinden uns damit buchstäblich im Verein mit fast allen anderen Ländern dieser Welt. In diesem Sinne– willkommen im Club.
[27] Klaus Peter Schreiner: Der Deutsche Verein. Gewürdigt von Klaus Peter Schreiner, München 1989 (Bibliothek der deutschen Werte).
Weißwurst
Aber bitte mit Kaviar
Zur Erfindung der Weißwurst kursiert eine populäre Legende, die zumindest in Bayern fast jeder kennen dürfte: Am Faschingsdienstag des Jahres 1857 sollen dem Moser Sepp, Pächter der Münchner Bierwirtschaft » Zum Ewigen Licht « , die Schafsdärme für seine Bratwürste ausgegangen sein. Zufällig waren aber noch Schweinsdärme vorrätig, in die er das Wurstbrät ersatzweise füllte. Da diese viel weiter sind als Schafsdärme, streckte Moser die Masse mit zerstoßenem Eis und etwas Grünzeug, um nicht zu viel Fleisch zu verbrauchen. Die fertigen Würste briet er dann aber nicht, weil er befürchtete, die Schweinsdärme könnten dabei platzen, sondern brühte sie in heißem Wasser. Das Fleisch war ungepökelt, sodass es beim Brühen hell blieb. Die solcherart aus Not entstandenen Würste servierte Moser seinen Stammgästen und diversen anwesenden Honoratioren der Stadt– und denen sollen die » weißen « Würste so vortrefflich geschmeckt haben, dass sie fortan als neue Spezialität auf der Speisekarte des Lokals geführt wurden.
Wahr daran ist, dass es die Wirtschaft » Zum Ewigen Licht « am Marienplatz 26 tatsächlich gab. Sie hieß so, weil in ihre fensterlosen Gasträume den ganzen Tag lang kein Sonnenstrahl drang und deshalb ständig eine Öllampe brennen musste. Auch Joseph Moser ist im Münchner Stadtarchiv historisch verbürgt. Der gelernte Metzger übernahm ab 1857 das » Ewige Licht « als Pächter; neun Jahre später gab er die Wirtschaft wieder auf und betrieb danach noch mehrere andere Gaststätten, bevor er 1872 mit 51 Jahren starb.
Und doch hat die Geschichte gleich mehrere Webfehler: Zum einen war das » Ewige Licht « eine billige und zeitweise verrufene Kaschemme, in der vorwiegend kleine Leute ihre preiswerte Brotzeit einnahmen– was die angeblich am Faschingsdienstag versammelten » Honoratioren « äußerst unwahrscheinlich macht. Zum anderen, und das ist der eigentliche Knackpunkt, hat Joseph Moser mit der Weißwurst nichts wirklich Neues erfunden, sondern lediglich eine traditionelle, einst überaus beliebte Münchner Spezialität abgewandelt– die sogenannte Maibockwurst. Deren Inhalt bestand ebenfalls aus Kalbs- und Schweinsbrät, Petersilie und diversen anderen Gewürzen; das Ganze wurde in Schweinsdärme abgefüllt und in heißem Wasser gegart. Ihren Namen hat diese Weißwurst-Vorläuferin daher, dass man sie in der Zeit des Maibock-Ausschanks (vom 1. Mai bis Fronleichnam) als deftige Unterlage für das Starkbier auftischte– und das schon lange vor 1857. Auch dafür findet sich der Beweis im Münchner Stadtarchiv: ein Stich von 1814, auf dem Gäste im Bockkeller des Hofbräuhauses am » Platzl « genau solche Würste zuzeln.
Dem Moser Sepp eine kulinarische Pioniertat zuzuschreiben wäre also stark übertrieben. Sein Dreh bestand schlicht darin, dass er zerstoßenes Eis unter das Brät mischte– mit dem Ergebnis, dass die Weißwurst saftiger schmeckt als die ursprüngliche Maibockwurst. Dafür fehlt ihr wiederum die kräftige Würze des Originals, weswegen sie erst durch die großzügige Beigabe von süßem Senf wirklich genießbar wird. (Ein Stuttgarter Metzgermeister kam deshalb 2012 auf die gloriose Idee, die unentbehrliche Zutat gleich bei der Herstellung in die Weißwurst » einzubauen « ).
Aber auch damit ist die Geschichte noch nicht zur Gänze erzählt. Die Maibockwurst hat nämlich ebenfalls einen viel älteren Vorläufer– und der stammt, man lese und staune, nicht aus Bayern, sondern aus Frankreich. Unsere gallischen Nachbarn kannten und liebten Weißwurst (boudin blanc) vermutlich schon im 14. Jahrhundert, besonders als Festessen zu Weihnachten. Auch heute noch ist diese Spezialität in verschiedenen Regionen Frankreichs und Belgiens verbreitet. 1973wurde sogar ein Weißwurst-Meisterschaftsturnier ins Leben gerufen. In der normannischen Stadt Alençon findet alljährlich das Championnat d’Europe du meilleur boudin blanc statt, bei dem die besten Rezepte prämiert werden. Anders als die Münchner Weißwurst gibt es boudin blanc nämlich in zahlreichen verschiedenen Inhalts- und Zubereitungsvarianten. Als Ingredienzen sind zum Beispiel Morcheln, Trüffel,
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