Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Vizepräsident des Bandidos MC Europe, Peter M., und Deutschlands mächtigster Hells Angel Frank Hanebuth Hof und verkündeten der Presse wichtige Neuigkeiten. Unter Blitzlichtgewitter und den Augen von Dutzenden Fernsehkameras verkündeten beide Parteien abwechselnd einen Vier-Punkte-Plan und einen dadurch ermöglichten Friedensschluss der beiden verfeindeten Clubs.
Diese vier Punkte stellten anscheinend den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, auf den sich die beiden mächtigsten und gefährlichsten OMCGs nach achtwöchigen Verhandlungen einigen konnten:
Hells Angels gehen nicht in die Städte der Bandidos und umgekehrt.
Beide Clubs nehmen keine Member oder Ex-Member des jeweiligen anderen Clubs auf.
Keine Neugründungen von Chartern und Chaptern beider Clubs im folgenden Jahr.
Nach Ablauf dieses Jahres werden Neugründungen nur nach Absprachen beider Clubs durchgeführt. Es ist geplant, regelmäßige Gespräche zu führen, um Probleme zu verhindern. Probleme sollen regional gelöst werden.
Ob es neben diesen veröffentlichten Absprachen weitere, geheime Vereinbarungen gab, die sich explizit auf die hochexplosive Situation in Berlin, Norddeutschland, Bremen und dem Ruhrgebiet bezogen, ist nicht bekannt. Aus der 60-jährigen Geschichte des Hells Angels MC lässt sich eine derartige Vermutung aber mit großer Sicherheit ableiten. Wie so oft bei taktischen Vertragsverhandlungen waren die Punkte, über die sich beide Parteien augenscheinlich nicht einigen konnten, aufschlussreicher als die Ergebnisse, auf die sich die Öffentlichkeit begierig stürzte.
Die Clubs schienen erstens nicht übereingekommen zu sein, öffentlich zu bekennen, dass sie auf Rache für die Morde von Bremen (Ibbenbüren), Berlin und Duisburg verzichten. Genauso wurde zweitens Vergeltung für Dutzende brutale Attacken und lebensgefährliche Verletzungen, die den jeweiligen Gegnern mit Äxten, Macheten, Messern und Baseballschlägern zugefügt wurden, nicht in Abrede gestellt. Drittens konnte man sich auch nicht darauf einigen, ein paar der umstrittenen Neugründungen in den Machtbereichen des jeweils anderen Clubs, welche die schweren Kämpfe, Morde und Attacken zum Teil erst ausgelöst hatten, rückgängig zu machen. Schließlich verloren die beiden Rockerführer auch kein Wort über die lukrativen Geschäfte vieler Mitglieder im Rotlichtmilieu und im Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Dass die Clubs zukünftig bereit gewesen wären, auf profitable Einnahmen aus diesen Bereichen zu verzichten, nur um öffentlich einen friedfertigeren Eindruck zu hinterlassen, kann ausgeschlossen werden.
In dem Vier-Punkte-Plan wurde über all diese seit einer Dekade blutig umstrittenen Themen kein Wort verloren. Entweder existiert darüber eine zusätzliche Geheimvereinbarung oder es wurde schlicht und einfach keine Einigung erzielt.
Nach dem Hannoveraner Shakehands folgten in weiteren Kriegsgebieten Gespräche zwischen hochrangigen Anführern der Hells Angels und der Bandidos, so beispielsweise im norddeutschen Neumünster. Diese »Feinjustierung« vor Ort, so der Präsident des Bandidos MC Neumünster, Ralf B., 46, habe einer Koexistenz beider Gruppen im Norden gedient.
Der Friedensschluss von Hannover schien allein den Zweck zu verfolgen, die nun zu Aktionen entschlossenen Innenminister zu besänftigen, auf deren Agenda ein bundesweites Verbot beider Clubs stand. In der ersten Zeit nach dem Mai 2010 gab es tatsächlich weniger gewalttätige Auseinandersetzungen. Trotzdem wurde der Kampf in gewissen Regionen weiterhin erbittert ausgefochten, und es waren Verletzte und andere Opfer zu beklagen. Ein einfaches nachbarschaftliches Leben und Arbeiten waren der Big Red Machine und dem Fat Mexican nicht möglich, dafür war zu viel Blut vergossen worden. Auch ein Handschlag der Bosse konnte daran nichts ändern. In den besonders umkämpften Gebieten und Städten sannen Mitglieder beider Clubs auf Rache. Der weltweite Konflikt hatte in Deutschland längst eine persönliche Ebene erreicht und konnte nicht einfach auf Knopfdruck für beendet erklärt werden. Etwa in Berlin, wo der Krieg trotz eines offiziell geltenden Friedensvertrages keine Pause machte.
Doch die Hannoveraner Inszenierung zeigte auf den zweiten Blick noch etwas ganz deutlich, und zwar die beiden unumstrittenen Führungspositionen innerhalb der deutschen OMCGs.
Hannover erwies sich wieder einmal als die alles beherrschende Bastion der deutschen Hells Angels, an der Spitze der allgewaltige
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