Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Präsident Frank Hanebuth. Er konnte sogar durchsetzen, dass der Gipfel nicht an einem neutralen Ort abgehalten wurde, sondern dass der ewige Rivale sich in seinen Machtbereich begeben musste, in die Höhle des Löwen.
Auch die Machtverhältnisse innerhalb des Bandidos MC Germany wurden klar sichtbar. Verhandlungsführer der Rot-Goldenen war der Gelsenkirchener Deutschland-Chef und europäische Vizepräsident der Bandido Nation, Peter M. An seiner Seite Leslav H., der zweite Mann bei den deutschen Bandidos und die unumstrittene Führungsfigur des wichtigen Gelsenkirchener Chapters. Er hatte schon die (gelben) Ghostrider’s in Gelsenkirchen gegründet und war mit einem harten Kern von Männern seit den 70er-Jahren aktiv.
Beide Bruderschaften erweckten mit der Veranstaltung in Hannover einen Eindruck, den sie eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollten. Es wurde nur allzu deutlich, dass ihre jeweiligen Organisationen eine bundesweit einheitliche Struktur besaßen. An der Spitze allmächtige Präsidenten, die ohne jegliche Probleme und Widersprüche einen deutschlandweiten Friedensschluss durchsetzen und öffentlich verkünden konnten. Beim genaueren Hinsehen ruft das die RICO-Anklagen in den USA in Erinnerung. Könnte die hierarchische Organisation der beiden Gruppen auch für die deutsche Justiz als Ansatz dienen?
Waren sich die Rockerführer ihrer Sache zu sicher geworden? Nahmen sie die Ermittlungen beinahe sämtlicher deutscher Behörden gegen einzelne Charter, Chapter und Mitglieder nicht ernst genug?
Aber das juristische Glück der Vergangenheit, das zahlreiche Verfahrenseinstellungen und strafmildernde Deals mit dem Staatsapparat erbracht hatte, blieb ihnen weitgehend treu. Die Inszenierung wurde weder von der Presse noch von der Polizei effektiv hinterfragt. Man schoss sich lediglich kritisch auf den Showcharakter der Veranstaltung ein und versäumte es, die Hintergründe auszuleuchten.
Der medienwirksam inszenierte Friedenschluss erwies sich letztlich als Placebo für die besorgte Öffentlichkeit und milderte den stetig anwachsenden Ermittlungsdruck aller Polizeibehörden etwas ab.
Nach einem Jahr des förmlichen Waffenstillstands und einer kurzen Verlängerung dieser Frist um einen Monat sollte nach Aussagen beider Präsidenten eine weitere Vereinbarung getroffen werden, um die friedliche Koexistenz von Hells Angels und Bandidos in Deutschland langfristig zu gewährleisten. Doch dazu kam es nicht. Beide Seiten konnten oder wollten sich nicht auf eine neue Vereinbarung einigen. Der Waffenstillstand lief im Sommer 2011 aus und der Krieg der OMCGs auf Deutschlands Straßen begann erneut.
SEK vs. Hells Angels
Gegen den 43-jährigen Hells Angel Karl-Heinz »Kalli« B., einen frühverrenteten Konditormeister aus dem rheinland-pfälzischen Anhausen, und weitere Mitglieder seines Charters ermittelte die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen Auseinandersetzungen im Rotlichtmilieu. Insgesamt wurden elf Mitglieder der Bikergang angeklagt. Kalli wurde explizit der versuchten räuberischen Erpressung eines Fitnessstudiobesitzers beschuldigt. Da der Hells Angel nach polizeilichen Erkenntnissen legal im Besitz einer scharfen Schusswaffe war, forderte der örtliche Polizeiführer zur Unterstützung der Hausdurchsuchung ein Spezialeinsatzkommando an.
Das SEK beginnt am frühen Morgen des 17. März 2010 seine Durchsuchungsaktion. Wie immer bei ihren Einsätzen sind die martialisch auftretenden und mit Sturmhauben vermummten Elitepolizisten schwer bewaffnet. Beim Aufbrechen der Wohnungstür erwacht Karl-Heinz B., greift sich eine Waffe und steigt die Treppe des zweigeschossigen Wohnhauses herab. Laut später gemachten Angaben vermutet er in den schwarz gekleideten Angreifern Mitglieder des verfeindeten Bandidos MC. Trotz einer Warnung – »Verpisst euch!« – versuchen die Männer weiter, seine Haustür aufzubrechen. Sie geben sich nicht als Polizisten zu erkennen. Der Hells Angel hebt die großkalibrige Waffe und schießt gezielt durch die geschlossene Tür seines Hauses auf die Angreifer. Karl-Heinz B. feuert zweimal aus nur 2,5 Metern Entfernung.
Die Polizisten des SEK tragen in jener Nacht wie immer ihre schusssicheren Westen. Eines der Projektile hämmert jedoch durch die Eingangstür und schlägt seitlich am linken Oberarm oberhalb der Schutzweste des Polizisten Manuel K. in den Brustkorb des Beamten ein und bohrt sich tief in den Körper. Dort verursacht die Kugel so schwere Verletzungen, dass der 42
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