Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Köln, Mülheim und Leverkusen mit dem Vorfall in Verbindung gebracht. Und dies sind nur die Erkenntnisse der Polizei, die bisher durchgesickert sind. Durch zahlreiche Razzien sowie die Auswertung der Überwachungskameras sowie Handy- und Verbindungsdaten einschließlich der GPS-Signale wird die Polizei in der Lage sein, weitere Männer bestimmten Chartern und Chaptern zuzuordnen. Folgt man der bisherigen Beweisführung der Verwaltungsgerichte, kann man den Kampf in Mönchengladbach nur als klare Vereinsaktivität und Folge einer Anordnung von Vereinsorganen werten, und zwar für beide Clubs. Die Bandidos sollen zudem größtenteils in ihren Vereinskutten zur Tat geschritten sein. Weiterhin gab es keine persönlichen Motive für diese Schlacht, es wurden zahlreiche Führungspersonen der Clubs registriert und die Streitmächte stammten schließlich aus vielen unterschiedlichen Städten und Clubs. All diese Umstände sehen Verwaltungsjuristen mittlerweile als eindeutige Belege für Vereinsaktivitäten. In diesem Zusammenhang stehen folgende Kapitalverbrechen im Raum, die im Vergleich zum bereits gerichtlich bestätigten Verbot des Flensburger Charters mehr als ausreichend für Verbotsverfügungen erscheinen: dreifacher Mordversuch, versuchter Totschlag, schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch und Bildung bewaffneter Gruppen. Der Machtkampf von Mönchengladbach könnte das offizielle Ende eines Dutzend Clubs im Rheinland und im Ruhrgebiet nach sich ziehen. Die ansonsten juristisch geschickt agierenden Rockerclubs scheinen in dieser Nacht die drohenden Konsequenzen ausgeblendet oder völlig unterschätzt zu haben.
Rund einen Monat nach der Straßenschlacht von Mönchengladbach kam es zu einem weiteren Vorfall im Ruhrgebiet. Der Schauplatz war dieses Mal das Rotlichtviertel an der Stahlstraße in Essen. Vor einem Bordell wurden des Nachts vier Männer aus dem Umfeld des Bandidos MC niedergestochen. Die Angegriffenen erlitten schwere Verletzungen und mussten in umliegende Krankenhäuser eingeliefert werden, die sogleich unter Polizeischutz gestellt wurden, um weitere Attacken zu verhindern. Schon am nächsten Tag erhielten die Verletzten Besuch von ranghohen Bandidos. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie ihren Offizieren gegenüber auskunftsfreudiger gewesen sein, als sie es bei der polizeilichen Befragung waren. Damit sind die Bandidos den Polizeibehörden einen großen Schritt voraus und es sind entsprechende Racheakte zu befürchten.
Erst Monate später machte in Polizeikreisen ein Gerücht die Runde. Bei den Angreifern soll es sich gar nicht um Höllenengel, sondern um Türken und Libanesen aus dem neuen Gremium MC Bosporus Türkiye gehandelt haben. Wenn das stimmen sollte, trat der Konkurrenzkampf im Ruhrgebiet mit dem neuen Akteur in die nächste Phase. Bei den unzähligen Clubs, Supportern und Unterstützungskommandos auf allen Seiten ist die explosive Situation kaum noch überschaubar.
Am 15. März 2012 führten 500 Polizeibeamte, darunter schwer bewaffnete Spezialeinheiten, eine weitere Großrazzia gegen Bandidos und Hells Angels in NRW durch. Bei Durchsuchungen von Clubräumen in Düsseldorf, Oberhausen, Solingen und Langenfeld beschlagnahmten die Polizeieinheiten Beweisstücke und nahmen fünf Personen fest. Fast 100 Personen wurden kontrolliert, die Personalien erfasst und 15 Rocker zusätzlich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. In dem Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, den der Clan 81 in Düsseldorf als Hauptquartier nutzte, stießen die Polizisten auf eine der größten Cannabisplantagen, die jemals in NRW entdeckt wurden. 3000 Haschisch-Pflanzen wurden dort von einem asiatischen Gärtnerteam 24 Stunden am Tag betreut. Hochrechnungen der Polizei ergaben eine jährliche Ernte von etwa 480 Kilogramm Marihuana, die einem Marktwert von vier Millionen Euro entspricht.
Der zunächst inhaftierte Präsident des Clan 81, Ahmed K., 24, wurde bereits drei Tage später aus der Untersuchungshaft entlassen. Eine der Gärtnersklavinnen hatte die Rocker mit ihrer Aussage entlastet. Ihr zufolge waren vietnamesische Landsleute die Hintermänner der Drogenplantage und hatten die asiatischen Arbeiter bedrängt, so die Schulden ihrer illegalen Schleusung abzuarbeiten.
Trotz dieser Entlastung entwickelte sich der zunehmende Ermittlungsdruck der Polizei immer mehr zu einem folgenschweren juristischen Bumerang für beide Clubs.
Die Machtverhältnisse im Ruhrgebiet gerieten im März 2012
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