Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
krimineller Vereinigungen, wie beispielsweise der Mafia, vergleichen. Die strukturellen Abhängigkeiten sind ja auch dieselben. Gerade mafiöse Verbrecherorganisationen in den USA gründeten sich oft auf ethnische Gruppenzugehörigkeiten, wenn sich beispielsweise Kolumbianer oder früher Italiener oder Iren zu Gangs zusammenschlossen, die mit ihrer starken Binnenstruktur aus Vertrautheit und Freundschaft dem Druck von außen trotzten, dabei aber sklavisch anmutende Abhängigkeiten nach innen erzeugten.
Doch mit der Zeit und dem wachsenden kriminellen Geschäftserfolg begann sich das Rekrutierungsmuster zu wandeln. Es ist, besonders in Deutschland, zu beobachten, dass gezielt Männer aus dem kriminellen Rotlicht- und Türstehermilieu rekrutiert werden beziehungsweise Männer mit diesem Hintergrund die Aufnahme in OMCGs suchen. Ob sie dort noch Freiheit und Familienersatz zu finden hoffen oder ob es vordringlich um den gesicherten Aufstieg in der Organisation und das schnelle Geld geht, kann man nur vermuten. Viele haben aber schon bereitwillig zugegeben, dass die Aussicht auf Macht, Wohlstand und finanziellen Aufstieg einen erheblichen Anteil an ihrem Entschluss hatte, ein Hells Angels zu werden. Für diese Männer sind die Biker jedenfalls nicht das kriminelle Proletariat der Rotlichtviertel, das manche Publizisten spöttisch und abwertend in den Hells Angels und anderen MCs sehen, sondern verkörpern die höchste Weihe, die das Milieu zu vergeben hat.
Manche Bewerber und Rekrutierte verschwendeten auch keine tiefer gehenden Gedanken vor ihrem Beitritt zu den Einprozentern und versanken, ohne sich den Kopf zu zermartern, immer tiefer in dem Strudel aus Gewalt und Verbrechen. Ehe sie sich versahen, war es zu spät für eine Umkehr und einen friedlicheren Lebensweg. Andere ließen erst im Gefängnis, nachdem das Urteil »lebenslang« lautete, ihr Handeln Revue passieren.
Zum Beispiel Réjèan Lessard, der ehemalige Präsident des Hells-Angels-Charters Montreal, Kanada, der wegen Beteiligung am Lennoxville-Massaker eine lebenslange Freiheitsstrafe erhielt. Lessard, der kurz nach seiner Inhaftierung mit den Hells Angels brach und sich dem Buddhismus zuwandte, äußerte sich 25 Jahre später zu seinen Beweggründen, ein Höllenengel zu werden.
Anlässlich seiner ersten Bewährungsanhörung gab er an, in einem stabilen familiären Umfeld aufgewachsen zu sein, dem es jedoch an emotionaler Zuwendung durch die Eltern mangelte. Im Verlauf einer schwierigen Jugend kam er mit Drogen in Kontakt und suchte die Nähe und Freundschaft einer Bikergang. Dort wurden die Hells Angels auf ihn aufmerksam und forderten ihn auf, dem Club beizutreten. Ein Angebot, das er weder ablehnen konnte noch wollte, und der Anfang vom Ende seines Lebens.
Ein Gerichtspsychiater attestierte ihm im Zuge seines Bewährungsverfahrens nach 25 Jahren Haft, völlig desillusioniert von der gewalttätigen Welt der Hells Angels zu sein und in konsequenter Weise keinen Kontakt mit anderen inhaftierten Clubmitgliedern mehr zu pflegen. Als sichtbares Zeichen seiner Abkehr ließ er sämtliche Tätowierungen aus seiner Zeit als Hells Angel von seinem Körper entfernen. Doch diese Einsicht kam für Réjèan Lessard zu spät.
Alle Antworten auf die Frage, warum jemand ein Höllenengel werden will, nennen die bedingungslose Kameradschaft sowie die mit dem Status eines Vollmitglieds einhergehende Anerkennung im persönlichen Umfeld als Hauptgründe. Ob das Ansehen aus Bewunderung oder Angst resultiert, ist dabei völlig zweitrangig.
Männer, die einzeln kaum wahrgenommen wurden, die in ihrem direkten Umfeld oder in einer Bar eher unscheinbar blieben, wurden durch ihren Eintritt in das internationale rot-weiße Netzwerk plötzlich respektiert und gefürchtet, erlangten Macht. Sie tauschten ihr altes Leben im Schatten gegen ein wildes Leben voller Machtgefühle ein. Mit dem geflügelten Totenkopf auf der Weste waren sie jemand geworden, den ihre Umwelt nicht länger ignorieren konnte und dem sie nicht zu widersprechen wagte.
6. Kapitel
Der Mongols MC
Schlachthaus East Los Angeles
Nicht nur Oscar de la Hoya, der erste Boxer, der in sechs Gewichtsklassen einen Weltmeistertitel gewinnen konnte, erblickte das Licht der Welt in Montebello, Kalifornien. Die Stadt gebar 1969 auch den Mongols Motorcycle Club, dem sich viele Männer lateinamerikanischer Herkunft anschlossen. Montebello gehört zum Großraum East Los Angeles, der Brutstätte einer Vielzahl von Gangs. Die
Weitere Kostenlose Bücher