Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
Vom Netzwerk:
befand, mit einschloss.
    Ich sah mir kurz den Pergamonaltar an, wobei der Funke nicht wirklich übersprang. Lieber wollte ich die berühmte Ägypterin sehen. Im Alten Museum erwarteten mich endlose Reihen mit griechischen Vasen. Die Dinger schlossen mich ein, bedrohten mich, verfolgten mich, überall nur griechische Vasen! Wer zum Teufel hatte all diese hässlichen Dinger hier aufgebaut, ich kam mir vor, die eine Motte, die im Vasenschrank meiner Großmutter eingesperrt worden war!
    Zäh und beharrlich kämpfte ich mich bis ans Ende durch, denn ich wollte meinen Triumpf: endlich die exotische, fremde Königin! Doch am Ende der Vasenreihen war nichts weiter als das Ende. Keine Nofretete. Wollten die mich fertigmachen? Ich musste mich wieder zurück durch die Vasenarmee kämpfen, denn einen anderen Weg gab es nicht. Am liebsten hätte ich um mich geschlagen und die Dinger zerschmettert.
    Die Wärterin, die ich schließlich nach dem Verbleib der Königin befragte, sah mich erstaunt an. Wie konnte man so blöde sein, sagte ihr Blick. Die Nofretete befände sich in der Ägyptischen Sammlung in der ersten Etage, belehrte sie mich. Dorthin gelangte man über eine Außentreppe.
    Die filigrane Schönheit beeindruckte mich sehr. Ich hatte sie mir viel größer vorgestellt. Und beileibe nicht so formvollendet, so perfekt, so hinreißend wundervoll. Kein Wunder, dass die Ägypter sie zurückhaben wollten. Wer weiß schon gerne eine so makellos schöne Frau in fremden Händen?
    Ergriffen ging ich weiter, denn ich wollte auch das sagenumwobene Ischtar-Tor sehen, das prunkvolle Löwenportal des Nebukadnezar, das ich aus meinem alten Schulgeschichtsbuch kannte. Nur leider fand ich es nicht, also fragte ich erneut und erlebte die zweite Blamage meines Museumsexkurses: Das Ischtar-Tor befand sich im Vorderasiatischen Museum, das seinerseits dem Pergamonmuseum angeschlossen war. Durch mein voreiliges Verlassen dieses Museums hatte ich es nicht mehr erreicht. Ich kam mir vor wie der letzte Bildungsbanause.
    Die ganze Antike schien mich mächtig zu überfordern. Und ich hatte es satt, mich vor irgendwelchen blasierten Museumsangestellten bloßzustellen. Also gab ich auf.
    Das Wetter war inzwischen nicht besser geworden. Es regnete in Strömen. Fieberhaft überlegte ich, was ich als nächstes tun könnte. Die Malerei, die auf der Museumsinsel noch angeboten wurde, interessierte mich schon gar nicht. Steife alte Gemälde mit griesgrämigen Gesichtern, das wäre alles, was ich jetzt noch brauchte.
    Weil die Shoppingszene mich auch nicht reizte, schließlich galt es, das im Minisafe meines Hotelzimmers sicher verstaute Geld zusammenzuhalten, entschied ich mich spontan zu einem Besuch des Naturkundemuseums in der Invalidenstraße. Der schien mir aus mehreren Gründen mehr als passend: Zum einen beabsichtigte ich, ein naturwissenschaftliches Studium zu beginnen und konnte mich hier schon mal einstimmen. Zum anderen fühlte ich mich selbst auch ziemlich invalide. Deshalb entschied ich mich auch dafür, ein Taxi zu nehmen.
    Der Taxifahrer war mittleren Alters und kam aus Indien. Mit etwas holprigem Deutsch verwickelte er mich in ein Gespräch, stellte die üblichen, einfallslosen Fragen, woher ich komme und was ich in Berlin mache, und verstieg sich dann in eine Litanei über die Zustände in Berlin. Völlig chaotisch sei diese Stadt, schmutziger als Delhi und kaputter als Mumbai, ein heilloses Gewirr, keine Ordnung, nichts von all der deutschen Gründlichkeit, Sauberkeit und Disziplin, von der man in seiner Heimat geschwärmt hätte. Die Deutschen seien allesamt Weicheier, sie wüssten überhaupt nicht mehr, was sie wollten und außerdem gäbe es hier viel zu viele Nigger . Die seien faul und würden die ganze Gesellschaft unterwandern. Mir schlackerten die Ohren. Ich hörte ja wohl nicht recht! Da war ich wirklich und wahrhaftig im Taxi eines rassistischen Inders gelandet. Was für ein Irrsinn!
    Ich war heilfroh, als wir ankamen und ich der Schmierenkomödie, in die ich da hineingeraten war, ein Ende machen konnte. Noch fast hypnotisiert vom Schock kaufte ich meine Eintrittskarte und betrat das Museum. Die Saurierskelette, das große Haifischmaul, die Liegelandschaft, über der die Entstehung des Universums in einer Endlosschleife immer wieder aufs Neue vor sich hin dudelte, all das vermochte mich vielleicht deshalb nicht wirklich zu berühren. Doch das Museum hatte eine gigantische Sammlung von Steinen und Mineralien.
    Mit wachsender

Weitere Kostenlose Bücher