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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Hofmann, das war offenkundig, steckten unter der Decke des Verrats. Gemeinsam mit den Parteibonzen. Die hatten die Schlächter ins Dorf geschickt, um ein Exempel zu statuieren.An einem betagten Priester, der sich an das Wort Gottes, nicht aber an die Spielregeln der weltlichen Machthaber hielt.
    Ich erschrak vor mir selbst. Ich verspürte die verborgene Macht, über die ich verfügte. Mit der bloßen Nennung eines Namens hatte ich dem Lauf der Geschehnisse eine Richtung gegeben. Meine Richtung. Die Reaktion, die der Name Fritz Hofmann auslöste, hatte mich in das Erwachsensein hineingeschleudert. Nun war meine Stimme von Gewicht, nun hatten mich die Männer in ihren Kreis aufgenommen. Ich war kein Junge mehr. Viele Jahre später sollte ich verstehen, dass es die Schuld war, die den letzten Funken an kindlichem Gemüt aus mir vertrieben hatte. Als ich den Namen meines einstigen Schulkameraden nannte, wurde ich schuldig. Bewusst, absichtsvoll und berechnend. Wenn Fritz Hofmann schon nicht für eine Tat büßen sollte, die er begangen hatte, dann eben für eine Tat, die ihm mit Sicherheit nicht anzulasten war.
    Fritz hatte das Ewige Licht ausgelöscht. Er war der Kirchenschänder, und ich war dafür von Johannes Baptiste verflucht worden. Fahr zur Hölle! Der Priester hatte mich verdammt. Als man ihn meuchelte, starb er in dem irrigen Glauben, ich, Pavel Botev, hätte mich mit der Schande des sakralen Frevels befleckt, während die beschränkte Anhängergemeinde der Konstantin glaubte, Angela Barbulescu stecke hinter all diesem Irrsinn. Fritz allein hätte die Lehrerin von dieser Schmach reinwaschen können und müssen, doch anstatt die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen, hatte er sich aus dem Staub gemacht, war nach Deutschland abgehauen. Fritz Hofmann hatte mich allein gelassen. Mit dem erloschenen Lämpchen in der Kirche, mit all dem Wahnwitz im Dorf und mit dem Wissen um die schweinischen Geschäfte seines Vaters. Unter meiner Bettmatratze lag das Foto mit einer Nackten in einem Sonnenblumenkleid, einer Frau namens Alexa, zwischen deren Schenkel Stefan Stephanes cu eine Flasche Schaumwein ver spritzte. Fotografiert von Heinrich Hofmann. War es da nicht mehr als ausgleichende Gerechtigkeit, wenn die Männer in der Schankstube Fritz und seinem herrischen Vater einen Verrat anlasteten, den beide gewiss nicht begangen hatten?
    Ich griff zu meiner Zigarettenschachtel und bot den Männern eine Carpati an. Petre, der alte Brancusi und der Schäfer Scherban langten zu. Großvaters missbilligender Blick blieb aus. Ich war erwachsen. Die Männer hatten mich als einen der ihren akzeptiert. Doch ich gehörte nicht dazu. Ich hatte keinen Ort mehr in Baia Luna, in diesem zerrissenen, gespaltenen Dorf. Die Meute um Kara Konstantin widerte mich an, die Männer in der Schankstube waren ebenso redlich wie nichts ahnend. Ihr Zorn über den Verrat an Johannes Baptiste war aufrichtig, aber er fand kein Ventil, um sich zu entladen. Fritz Hofmann war weg, sein Vater unerreichbar und protegiert von höchsten Politkreisen. An die kam niemand heran. Karl Koch hatte in einer Aufwallung von Zorn zwar geschworen, es dem Herrenmenschen Hofmann heimzuzahlen, und der ungestüme Petre Petrov tönte, er werde nach der Schneeschmelze nach Kronauburg fahren, um ein paar Benzinflaschen in ein stadtbekanntes Fotografenatelier zu schmeißen. Aber die Wut würde in absehbarer Zeit verrauchen, erst einem verbitterten Groll und letzten Endes dem beklemmenden Gefühl der Ohnmacht weichen.
    Und der wahre Schuldige?
    Ich stand einsam und allein. Und hatte keine andere Wahl als auszuharren und abzuwarten. Bis ich Angela Barbulescu rächen konnte. Sie war tot, aber den Parteisekretär hatte sie nicht in die Hölle mitgenommen. Was würde geschehen mit diesem bösartigen Menschen, den ich vernichten sollte? Die Lehrerin hatte mich zu ihrem Werkzeug gemacht. Doch ich war bereit für meinen Kreuzzug, bereit für einen Kampf, von dem ich weder wusste, wann und wo er stattfinden sollte, noch mit welchen Waffen er ausgefochten würde. Unstrittig war nur, sobald der Schnee geschmolzen war, musste ich nach Kronauburg.
    9
    Der Erbe des Ikarus, die dunkle Kammer und Heinrich Hofmanns Allerhei Iigstes
    Der Frühling ließ lange auf sich warten. Erst Mitte Mai im Jahr '58 offenbarte die Natur, dass auf ihren immergleichen Rhythmus Verlass war. Ahorn, Esche und Buche trieben kräftige Knospen hervor, Krokusse und Narzissen brachen aus dem Boden, die Mauersegler

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