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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Kronauburg«. Wir betraten die Lagerhallen, um nach dem ältesten der Hossu-Brüder Ausschau zu halten, mit dem Großvater gemeinhin Warenlisten und Preiskalkulation durchsprach. Wie es aussah, hatte man die Zahl der Angestellten verdoppelt und mit einheitlichen blauen Kitteln ausgestattet. Die meisten saßen auf Holzpaletten und rauchten. Als Großvater nach Vasili Hossu fragte, erwiderte einer der Lagerarbeiter nur »Mittagspause« und deutete mit dem Daumen auf eine Bürotür mit der Aufschrift »Direktion«. Ilja klopfte an. Da niemand antwortete, drückte er die Klinke, und wir traten ein. Hinter einem Schreibtisch saß eine junge Frau und feilte sich die Fingernägel.
    »Mittagspause«, sagte sie. »Können Sie nicht lesen?«
    »Bei den Hossus war man jederzeit willkommen«, antwortete Großvater. »Wo finde ich die Herren?«
    »Kommen Sie um dreizehn Uhr dreißig wieder. Vorher keine Auskünfte«, antwortete die Bürokraft, ohne von ihrer Maniküre aufzublicken. Wir verließen das Lager und fuhren mit dem Kutschwagen ein Stück weiter. Das Pofta Buna, das nicht mehr war als ein schäbiger Bretterverschlag, existierte gottlob noch immer. Hier, zum »Guten Appetit«, fanden die ausgelaugten Pferde der Handelskunden Wasser und Stroh, während sich die Männer mit Bier, Brot und Hackfleischröllchen vom Kohlengrill stärkten. Vor dem Pofta Buna parkte bereits ein halbes Dutzend Fuhrwerke. Opa spannte ab, versorgte den Gaul und setzte sich mit mir auf eine Holzbank. Die Gebrüder Hossu, das war von dem Inhaber zu erfahren, seien schon Anfang des Jahres enteignet worden und wie vom Erdboden verschwunden, aber mehr wolle er nicht gesagt haben. Am Nebentisch unterhielten sich zwei Männer angeregt über die Preis politik der neuen Handelsorganisation. Sie machten keinen unzufriedenen Eindruck. Die anderen Kunden hatten sich in der angrenzenden Scheune ins Stroh geschlagen, um die Wartezeit mit einem Nickerchen zu überbrücken. Um halb zwei heulte eine Sirene. Die Mittagspause war zu Ende.
    Der Direktor der volkseigenen Konsumgenossenschaft war ein kleinwüchsiger Mittfünfziger von rundlicher Statur, der eine hellblaue Krawatte und einen etwas knapp geschnittenen braunen Anzug trug. »Neukunden ? «, schielte er über den Rand seiner Brille hinweg und setzte sich hinter seinen ausladenden Bürotisch, wobei er mit irgendwelchen Papieren hantierte.
    »Nein«, antwortete Großvater. »Wir sind seit Jahrzehnten Kunden. Familienbetrieb Botev. Baia Luna. Straße des Friedens. Hausnummer sieben. Wo sind die Gebrüder Hossu?«
    Der Direktor bot uns einen Platz an. »Aus Baia Luna. Menschenskinder. Kein Wunder, dass ihr da oben vom Lauf der Welt nichts mitkriegt. Die Hossus wurden von ihren privatwirtschaftlichen Geschäften entbunden. Wo sie jetzt sind? Keine Ahnung. Hier jedenfalls nicht. Ihr seid Privatkunden ?«
    Großvater nickte.
    »Die HO verkauft nicht mehr an Private. Anordnung von oben. Aber kein Problem. Wie groß ist euer Laden?«
    Ilja schätzte die Quadratmeter und nannte eine Zahl. »Aber der größte Teil der Geschäftsfläche geht für unsere Schankstube drauf«, bemerkte ich.
    »Aha. Gastronomie betreibt ihr da oben auch. Die muss doch gut laufen. Ist doch sonst nichts los bei euch. Habt ihr eine Konzession? Ausschankgenehmigung ?«
    »Ausschankgenehmigung ?« Großvaters anfängliche Verwunderung schlug in Ärger um. »Sag mal, habt ihr sie noch alle? So was haben wir seit Generationen nicht gebraucht. Habt ihr denn wirklich nichts Besseres zu tun, als euch diesen ganzen Bürokratenscheiß auszudenken?«
    »Nun mal halblang. Ich denke mir gar nichts aus. Aber Ordnung muss sein. Und Gesetz ist Gesetz. Sonst könnte jeder seine privaten Kungeleien machen. Und dann hätten wir diesen Kapitalismus wie der Ami, wo jeder macht, was er will. Und die Zigeuner tanzen uns auf dem Kopf rum.«
    »Aber wir brauchen frische Ware.« Ilja wurde ungehalten. »Unser Lager ist leer, und die Leute im Dorf fangen an zu murren. Ihr könnt doch nicht von heute auf morgen einfach den Warenverkauf an Private einstellen.«
    »Ich sagte doch, kein Problem. Ihr müsst euer Geschäft nur dem Handelskollektiv anschließen. Reine Formsache. Euer privater Laden wird dann entprivatisiert. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Ihr erhaltet eure Ware dann sogar zu optimalen Konditionen. Da zahlt ihr definitiv weniger als bei diesen Hossu-Kapitalisten. Ihr müsst nur erst zur Kollektivierungsbehörde und unterschreiben. Und wenn ihr schon mal in

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