Wie die Madonna auf den Mond kam
doch seit Jahren nicht mehr im Dorf, seit er damals nach Kronauburg gezogen ist. Wie man hört, kriegt er sein Haus hier nicht verkauft. Wer zieht in diesen Zeiten schon nach Baia Luna? Als wir vernommen wurden, ist er jedenfalls in seinem alten Haus gewesen. Vielleicht hat er damals beim Umzug etwas vergessen. Ich weiß nur, dass er mit den beiden anderen wieder in so einem grünen Jeep davongebraust ist. Mit meinem Teleskop und dem Fotokram meines Enkels.«
Raducanu blickte mich scharf an. »Wozu brauchst du ein Rotlichtlabor? «
»Moment!« Ich flitzte die Treppe hinauf, kam mit einer Schachtel Fotografien zurück und breitete die röhrenden Hirsche auf dem Tisch aus. »Beeindruckend, nicht? Als ich die Bilder bei Herrn Gherghel sah, war mir auf der Stelle klar: So was will ich auch machen. Die Jagd mit der Kamera. Da hätte ich Freude dran. Hier in Baia Luna ist doch nichts los. Außerdem sind in unseren Bergen die Hirsche noch prächtiger als auf diesen Fotos. Solche Bilder lassen sich bestimmt gut verkaufen.«
Raducanu dachte nach. »Und das Teleskop?«
Als hätte Kathalina auf die Frage gewartet, schimpfte sie los: »Schwachsinn! Einen schönen Fernseher gegen so ein Fernrohr zu tauschen. Diese beiden Spinner!« Sie zeigte auf Dimitru und Großvater. »Hab ich nicht gleich gesagt, das Ding bringt nur Ärger? Aber auf mich hört ja niemand.«
Dimitru mimte den Beleidigten. »Du verstehst weder etwas von wissenschaftlicher Akribik noch vom Morbus lunaticus.«
»Nenn die Krankheit ruhig beim richtigen Namen: Mondkrank und fallsüchtig ist mein Schwiegervater«, wetterte Mutter weiter, »und dieser Zigeuner hat ihm das Teleskop eingeredet. Um den Mond zu beobachten,«
Ilja ging zur Registrierkasse, in der alle wichtigen Familiendokumente lagen, und reichte Cartarescu kommentarlos eine ärztliche Bescheinigung.
»Tatsächlich«, stellte der Capitan fest. »Das Hospital in Kronauburg hat Epilepsie diagnostiziert.«
Raducanu warf nicht einmal einen Blick auf das Papier. Er forderte ein weiteres Glas Wasser, öffnete ein Medikamentenröhrchen und schluckte eine Handvoll Tabletten gegen den Kopfschmerz.
»Sag ich doch«, tönte Dimitru. »Mein Freund Ilja leidet am lunatischen Morbus. Und deshalb ist es nur logisch, den Mond mittels Himmelsfernrohr genauestens zu beobachten. Ursachenforschung nennt man das! Aber wie es aussieht, haben bestimmte Kreise in diesem Land ein mächtiges Interesse daran, unsere Forschungen zu unterbinden. Klauen einfach unser Teleskop im Namen der staatlichen Sicherheit. Kriegen wir jetzt die Entschädigung?«
Raducanu schnappte sich das Wasserglas und schleuderte es auf den Zigan. Es verfehlte Dimitrus Kopf und zerplatzte an der Wand. Der Sekurist schnellte von seinem Stuhl hoch, schrie: »Scheiße, Scheiße, Scheiße« und stürmte aus dem Lokal.
Zwischen den Neugierigen, die mit respektablem Abstand die Jeeps auf dem Dorfplatz umringten, harrte Vera Raducanu. Sie eilte ihrem Sohn entgegen, bejammerte die Missachtung und den Undank.
Unwirsch stieß Lupu seine Mutter von sich. »Dein Platz ist hier! «, sagte er.
Allmählich trudelten die Durchsuchungskommandos ein.
Sie vermeldeten keine Auffälligkeiten. Nur der Befehlsführer des Trupps, der das Pfarrhaus durchforstet hatte, sprach von einem merkwürdigen Raum im Keller, mit Matratzen, Kerzen und durchdringendem Parfümgeruch, der wohl als geheimes Liebesnest diene. Erkundigungen hätten ergeben, allein der Kirchendiener Julius Knaup besäße einen Schlüssel zu dem Keller. Als der Milizionär fragte, ob Major Raducanu beabsichtige, den Küster zu vernehmen und den Ort zu inspizieren, stieg Lupu Raducanu in einen Wagen, knallte die Tür zu und brauste davon.
Capitan Cartarescu griff sich an die Mütze, salutierte und entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten. Er stammelte etwas von einem Missverständnis und stellte in Aussicht, die Familie Botev in Zukunft nicht mehr zu behelligen.
Als die Wagen der Miliz die Tirnava passierten, drängten Erika Schuster und einige Frauen sofort in das Pfarrhaus in den Waschkeller. »So roch es damals auch in Barbus Kleiderschrank«, stellte Erika fest. Zugleich wussten alle, das Parfüm» Träume der Nacht« benutzte in Baia Luna nur Vera Raducanu.
Während im Dorf die Gerüchte über das versteckte Liebeslager des Küsters für Hohn und Spott sorgten, führten Dimitru und ich in der Schankbutike Freudentänze auf. Ich entkorkte eine Flasche auf Kosten des Hauses, während
Weitere Kostenlose Bücher