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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Auftraggeber, wenn ich richtig lese, ist eine Jüdin namens Maria, die auf dem Mond in einem heiteren Meer lebt, in strahlendem Glanz, wie die weißen Punkte auf dieser Fotografie hier beweisen.«
    »So ist es.«
    »Wissen Sie was, Herr Botev? Ich behalte den Brief und überreiche ihn dem Conducator persönlich. Dann brauchen Sie sich nicht bei der Parade zwischen Tausenden von Leuten drängeln. Der Staatschef wird die Angelegenheit dann mit Präsident Nixon beraten. Ist das in Ordnung?«
    Ilja nickte erneut. Raducanu steckte den Brief und das Foto ein. Dann griff er zum Telefonhörer. Kurz darauf traten zwei Männer in Zivil ein. Bevor Ilja verstand, was Lupu Raducanu mit dem Befehl, »Bringt ihn zu Doktor Pauker«, meinte, verpassten ihm die Männer eine Spritze.
    Drei Autostunden von der Hauptstadt entfernt, wachte Ilja auf, in einem abgeschiedenen Ort in einem Seitental des Flusses Alt. Hinter den Fassaden ehemaliger Militärbaracken verbarg sich eine Nervenheilanstalt, über die die Leute in der Umgebung tuschelten, wer hier eingesperrt sei, der werfe keinen Schatten mehr.
    Wer vermutet hatte, Antonia werde an der Seite Dimitrus, der die Kraft seiner Lenden bei früheren Anlässen durchaus zu rühmen wusste, zur Geliebten, wäre bei dem Anblick des ungleichen Paares vermutlich schnell eines Besseren belehrt worden. Während Antonia Botev auch in der Zeit des Mangels noch an Üppigkeit zunahm, magerte der Zigan immer mehr ab. Er schrumpfte regelrecht, wurde kleiner und kleiner und war zuletzt so unscheinbar, dass man ihn neben seiner leibesprallen Begleiterin kaum noch wahrnahm. Egal, welches Dorf die beiden auch passierten, nur selten hielten sie sich länger als ein paar Stunden auf und fragten nach einem gewissen Ilja Botev aus Baia Luna. Doch ein Mann solchen Namens war nirgends bekannt. Nur einmal, es muss im siebten oder achten Jahr ihrer Suche gewesen sein, erzählte ihnen ein Sargschreiner in den Maramuresch-Bergen von einer Beerdigung, die erst kürzlich auf dem Friedhof von Viseu de Jos stattgefunden habe. Soweit er sich erinnerte, hatte der Verstorbene die siebzig bereits überschritten und Botev geheißen.
    Dimitru erstand einen der weiß lackierten Kindersärge, die der Tischler in Erwartung des bevorstehenden Winters auf Vorrat gezimmert hatte, bettete die Knochen seines Vaters Laszlo um und steuerte den besagten Friedhof an. Tatsächlich fand sich auf einem frischen Erdhügel ein Grabkreuz, auf dem zu Antonias und Dimitrus Entsetzen der Name Ilja Botev geschrieben stand.
    Die Verwandten des Toten waren schnell ausfindig gemacht.
    Es waren herzliche Leute, die ihre Gastfreundschaft gleich für mehrere Tage anboten, obwohl sich herausstellte, dass sie mit den Botevs aus Baia Luna kein Band der Verwandtschaft verknüpfte. Erleichtert stellten Dimitru und Antonia fest, der Tote konnte unmöglich ihr Freund und Vater gewesen sein.
    Der Zigan und seine Gefährtin blieben eine Nacht, dann zogen sie weiter in der Gewissheit, dass Ilja Botev in einer achtbaren Familie im äußersten Norden Transmontaniens einen unbekannten Namensvetter gehabt hatte.
    Wenngleich Antonia und Dimitru nicht im landläufigen Sinn als ein Paar galten, so war ihre Beziehung doch weit mehr als die eines Heimatlosen und seiner freiwilligen Begleiterin. Zum einen gefiel Antonia das Unterwegssein, ja, sie sah den dauernden Ortswechsel sogar als einen Akt der Befreiung an. Zum anderen hatte Antonia zu Dimitru eine Zuneigung entwickelt, die nicht dem flüchtigen Reiz des Begehrens, aber auch nicht der gefestigten Liebe zwischen einem Mann und einer Frau entsprang. In ihrer Beziehung zu Dimitru übernahm sie eher die Rolle einer fürsorglichen Mutter, und die füllte Antonia so sehr aus und beglückte sie, dass sie die Jahre in Baia Luna erstmals als verschlafene Zeit gewahrte.
    Obwohl seine körperliche Präsenz schrumpfte, büßte der Zigan keineswegs seine geistige Wachheit ein, wohl aber entwickelte er eine Gemütsverfassung, die Antonias Mutterrolle sehr entgegenkam. Dimitru benahm sich nicht etwa kindisch, er quengelte und nörgelte nicht herum und machte auch ansonsten tagsüber keinen infantilen Eindruck. Nachts aber, wenn er sich zusammenkauerte wie ein Fetus, wenn er selbst im Sommer fror und zitterte, gab es für ihn kein größeres Glück, als sich in die Geborgenheit ihres prallen Leibes zu schmiegen, nicht wie ein Mann, sondern wie ein trauriger, verletzter Junge.
    Als ihr wertvollster Besitz, sah man von Dimitrus

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