Wie die Madonna auf den Mond kam
Partei!« Fritz schmunzelte. Dann musste er grinsen. »Sag mal ehrlich, Pavel, meine Verse waren gegen den gereimten Schwachsinn in den Lesebüchern doch wohl poetische Meisterwerke.«
»Und morgen ist der Schwachsinn dann vollendet, den Fräulein Barbu heut für möglich hält«, zitierte ich aus dem Gedächtnis. Ich griff nach Fritz Hofmanns Zigaretten und zündete mir eine Marlboro an. »Angela Barbulescu hat alle deine Umdichtungen übrigens sehr genau registriert. Selbst unsere abenteuerlichen Rechenergebnisse. Sie hat dir tatsächlich dichterisches Talent bescheinigt. Fritz, alles war anders, als wir dachten. Sie war anders. Vielleicht war ihr Tod kein Selbstmord. Was Julia dir geschrieben hat, ist nicht wahr. Möglich, dass Angelas Selbstmord nur vorgetäuscht war und man sie aufgehängt hat. An dem Tag, als sie zum letzten Mal in Baia Luna gesehen wurde, war ein gewisser Albin bei ihr, ein kräftiger Typ mit einem Muttermal auf der Wange. Dieser Albin war ein Kumpel von Stefan Stephanescu und deinem Vater Heinrich. Fritz, ich weiß genau, Angela Barbulescus Tod hat nichts mit deinen blöden Sprüchen zu tun, sondern mit diesen schmutzigen Fotos, die du damals in dem Umzugskarton deines Vaters gefunden hast.«
»Was? Was sagst du?«
Ich zog das anzügliche Foto, das mir Fritz einst überlassen hatte, und Angelas Tagebuch hervor. Fritz las still. Nur manchmal kniff er die Augen zusammen, so als könne er nicht glauben, was in der grünen Kladde geschrieben stand. Erst als er Angelas Eintragungen über die Weihnachtsfeier bei dem Parteibonzen Koka gelesen hatte, gab Fritz einen Kommentar von sich.
»Aber dieses Foto aus der Kiste meines Vaters? Du hast vor meinem Umzug nach Deutschland behauptet, die nackte Frau sei die Lehrerin Barbulescu. Aber es war ihre Freundin Alexa.«
»Stimmt. Aber damals kannte ich das Tagebuch noch nicht. Woher sollte ich wissen, dass die beiden Frauen ihre Kleider getauscht hatten?«
»Das darf doch nicht wahr sein.« Fritz las laut aus Angelas Abschiedsbrief an Stephanescu vor: »Die Fotos, die Hofmann mit mir und deinen ekligen Freunden gemacht hat, sind widerwärtig. Sie haben lange Jahre meinen Mund verschlossen. Jetzt nicht mehr. Von mir aus kann Hofmann diese Bilder an den Pfarrer im Dorf schicken. Macht damit, was ihr wollt. Hängt meine Bilder an jeden Laternenpfahl. Ich habe keine Angst mehr.«
Fritz wurde bleich. Ich zeigte ihm das abgebrannte Foto der jungen Angela mit dem Kussmund. »So sah sie aus, bevor sie an die falschen Leute geriet.«
Fritz betrachtete die Frau mit dem blonden Pferdeschwanz minutenlang, schloss die Augen und ballte die Fäuste. Dann atmete er tief durch. »Pavel, allmählich begreife ich, was seinerzeit geschehen sein muss. An dem Tag, als du das Porträt von Stephanescu in der Klasse aufhängen solltest, meinte die Lehrerin, man müsse den lächelnden Doktor aus Kronauburg ins rechte Licht rücken. Es sei nicht alles Gold, was glänze, so ähnlich hat sie es doch gesagt. Ich aber hatte keine Ahnung, was sie meinte, doch ich habe meinem Vater davon erzählt.
Aus Wut. Mein Vater war ein Schwein. Ich sage das heute ohne Hass, aber er war wirklich ein Dreckschwein. Als er mich wieder mit seinem Gürtel verprügeln wollte, habe ich ihm gedroht, die Barbu würde über seinen Freund Stephanescu auspacken. Ohne zu wissen, was es eigentlich auszupacken gab. Ich weiß noch genau, wie ich meinen Vater angegrinst und ihm gedroht habe. >Wenn der Stephanescu fällt, bist du fertig. Ohne den Sekretär und die Parteibonzen bist du als Fotograf doch eine Null.< Aber ich hatte damals keinen Schimmer davon, was ich da sagte.«
» Und dein Vater? Wie hat er reagiert?«
» Jedenfalls hat er mich nicht grün und blau geprügelt. Er ließ mich in Ruhe. Am nächsten Tag jedenfalls trug er mir auf, einen Briefumschlag beim Pfarrer Baptiste in den Postkasten zu werfen.«
Ich glühte vor Neugierde. Die Wachheit der Erregung ließ die letzten zweiunddreißig Jahre zu einem Gestern schrumpfen.
»In dem Brief waren mit Sicherheit diese widerlichen Fotos von Angela! «
»Davon müssen wir ausgehen. Aber konnte ich das ahnen?
Ich hatte natürlich nachgefragt, was das für ein Brief sein soll, weil mein Alter mit dem Priester nie etwas zu tun gehabt hat. Heute weiß ich, mein Vater hat mich angelogen. Er sagte, er würde aus der Kirche austreten. In dem Umschlag wären sein Taufschein, die Heiratsurkunde, Pfarrdokumente eben. Ich habe nur gedacht, dieser feige Sack
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