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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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lässt mich seine Angelegenheiten erledigen. Aber ich hatte den Brief zu Hause liegen gelassen. Weil du am Nachmittag plötzlich nach mir gerufen hast, als dein Großvater zum Geburtstag einen Fernseher geschenkt bekommen hatte. Der Brief fiel mir erst wieder ein, als wir mit Johannes Baptiste in der Schankstube zusammensaßen und der Priester die merkwürdigen Geschichten vom Sputnik und dem Himmelfahrtsprojekt von diesem Koroljow erzählte. Erinnerst du dich? Vor meiner blöden Aktion mit dem Ewigen Licht sagte ich zu dir und Buba, dem Zigeunermädchen, ich müsse noch was erledigen. Das stimmte tatsächlich. Ich musste den Brief noch einwerfen, aber mein Vater hatte den Umschlag zwischenzeitlich offenbar selbst in die Pfarrei gebracht. Dass er solche üblen Fotos von Angela Barbulescu gemacht hatte, davon hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung. Jetzt wird mir klar, mein Vater ging davon aus, dass die Barbu mit diesen Bildern in Baia Luna erledigt war. Ihr blieb nur der Strick.«
    »Aber die Bilder sind verschwunden. Sie gelangten nie an die Öffentlichkeit! Stattdessen wurde Johannes Baptiste ermordet. Und das Pfarrhaus durchwühlt. Die schwachsinnige Kora Konstantin hat daraufhin das Gerücht gestreut, Angela Barbulescu habe dem Pfarrer die Kehle durchgeschnitten, um ihn zum Schweigen zu bringen, und sich nach ihrer Bluttat selbst gerichtet. Die meisten Männer in Baia Luna sind allerdings davon ausgegangen, die Sekurität habe den Pfarrer auf dem Gewissen, um zu verhindern, dass er gegen den Kolchos predigt. Verstehst du das?«
    »Ich denke eher, die Täter haben nach den Fotografien gesucht. Deshalb haben sie den Priester umgebracht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater so weit gegangen wäre. Er war ein mittelmäßiger Fotograf, ein mittelmäßiger Mensch, ein Schmarotzer bei den Mächtigen, der von Nietzsches Übermensch fantasierte. Vielleicht war er eine Zeit lang nützlich, bis er in den Augen irgendwelcher Hintermänner einen Fehler gemacht hat. Johannes Baptiste mag ein alterswirrer Spinner gewesen sein, vielleicht aber auch ein weiser Mensch. Ich kann das nicht beurteilen. Aber dumm war er gewiss nicht. Als er die Fotos mit Angela in den Händen hielt, muss er sich doch gefragt haben: Was sind das für Kerle auf den Bildern? Wer macht solche Fotos? Und warum stecken diese Machwerke plötzlich in meinem Briefkasten? Ich frage mich, weshalb mein Vater dem Priester diese Fotos hat zukommen lassen. Macht es Sinn, einer Frau den letzten Rest zu geben, die schon am Boden liegt? Schmutzige Fotografien beschmutzen nicht nur den, der darauf zu sehen ist. Der meiste Dreck bleibt unsichtbar. Er klebt an dem, der die Bilder gemacht und der sie verbreitet hat. Mein Vater hätte die Fotos nur als Drohmittel benutzen, aber nie wirklich einsetzen dürfen. Und wenn du mich fragst, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte, dass diese Erpresserbilder wieder in der Versenkung verschwanden, dann fällt mir nur Stephanescu ein. Wenn das in dem Tagebuch stimmt, hat er dafür gesorgt, dass Angela nie ein Kind bekommen hat. In der Hand eines Priesters hätten die Fotos vielleicht die ganze Wahrheit über die Machenschaften Stephanescus ans Licht bringen können. Das wollte unser Doktor verhindern.«
    Ich bekräftigte Fritz Hofmanns Vermutung und erzählte von dem Besuch bei der Fotolaborantin Irina Lupescu, von dem Diebstahl des Negativs und dem gescheiterten Versuch, Stephanescu zu stürzen, mit den Fotografien auf den Schaufensterscheiben des Studios von seinem Vater Heinrich.
    »Und du sagst, einen Tag nach dem großen Parteispektakel hatte mein Vater diesen Unfall? Als uns die Nachricht in Deutschland erreichte, war er schon eine Woche tot. Meine Mutter und ich waren bis heute nicht an seinem Grab. Die Kronauburger Bezirksregierung schrieb uns, Vater sei mit seinem Motorrad unter einen Lastwagen geraten.«
    »Ohne Helm«, ergänzte ich. »So stand es in der Zeitung.« Fritz Hofmann biss sich auf die Lippen. »Davon stand nichts in der Benachrichtigung. Aber das kann nicht sein. Er hatte immer einen Helm auf. Ich habe ihn als Kind nie ohne Sturzhelm auf sein Motorrad steigen sehen. Niemals. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Ich dachte immer, Vater war ein Mistkerl. Vielleicht war er aber auch nur ein Feigling, nur ein Rädchen in einem bösartigen Getriebe.«
    »Möglicherweise wurde er selber erpresst?«
    »Ich weiß es nicht.« Fritz schwieg und studierte das Foto, das er vor zweiunddreißig

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