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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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hinbekam. Ist auch egal. Jedenfalls dürfte Stephanescu ein massives Interesse daran gehabt haben, dass sein Sektfoto unter Verschluss blieb. Koka würde das Bild nicht kratzen. Er war darauf schließlich nicht zu sehen. Und jetzt spielen solche alten Geschichten sowieso keine Rolle mehr. Der Conducator und seine Lenutza werden keinen ordentlichen Gerichtssaal mehr erblicken. Die haben höchstens noch ein paar Stunden, wenn ich die Lage richtig einschätze. Und ich wette darauf, wenn der Spuk vorbei ist, steigt unser Parteisekretär aus Kronauburg auf zum Mann der Stunde.«
    »Was? Dieser Mistkerl ?«
    »Ja. Stephanescu hält sich momentan noch zurück. Aber seine Leute stricken bereits an seiner Legende. Demnach war er immer schon ein Mann des Volkes und ein Widersacher des Conducators. Davon hat freilich niemand etwas bemerkt. Innere Opposition nennt man das. Außerdem soll der Doktor der Drahtzieher beim Sturz des Conducators gewesen sein. So ebnet man sich den Weg für seine politische Zukunft.«
    »Das, das i st nicht recht« , waren die einzigen Worte, die ich hervorbrachte. Unwillkürlich schlug ich Angela Barbulescus Tagebuch auf: »Seine Stunde wird schlagen, wenn er ganz oben ist.«
    »Fritz, was hat das zu bedeuten? Angela ist seit über dreißig Jahren tot.«
    »Das ist mehr als rätselhaft. Aber da ist übrigens noch jemand, der, oder genauer gesagt, die an unserem Doktor Stephanescu ein merkwürdiges Interesse zeigt. Das war gestern bei der Pressekonferenz, als die Front der Nationalen Rettung vorgestellt wurde. Da saß diese Frau unter den Journalisten. Während alle Kollegen ihre Mikrofone in die Höhe reckten und sich Notizen machten, saß sie bloß unbewegt auf ihrem Platz. Und hat mich an Buba Gabor erinnert.«
    »An Buba? Wieso? Wie sah sie aus?«
    »Gut sah sie aus. Ich meine, für ihr Alter sogar sehr gut.
    Aber nicht wie die Leute von hier. Auch nicht wie eine Zigeunerin. Eher westlich gekleidet. Ich würde sagen, südeuropäisch, wie eine Spanierin. Oder aus Italien.«
    »Und was hat sie auf dieser Konferenz gemacht?«
    »Keine Ahnung. Sie ist mir nur aufgefallen. Vielleicht auch, weil sie vor Kälte bibberte, obwohl der Raum beheizt war. Sie hat mich nicht beachtet. Sie schaute immer nur in Richtung Stephanescu. Mit einem wirklich seltsamen Blick. Wie soll ich den beschreiben? Nicht aufdringlich, eher unbeteiligt. Als erwarte sie, dass etwas passieren werde. Meistens waren ihre Augen geschlossen. Sie war wie in Trance. Wenn du verstehst, was ich sagen will.«
    »Ich verstehe. Das ist Buba! Und Buba weiß, Stephanescu wird stürzen, wenn er ganz oben ist. Sie kennt die Prophezeiung unserer Lehrerin. Buba hat das Tagebuch zusammen mit mir gelesen. Aber beim Sturz des Retters der Nation sollten wir ein wenig nachhelfen. Es wird allerhöchste Zeit, unserem Doktor mal ein paar Steine in den Weg zu rollen. Fritz, wie kommt man an diese hohen Herren ran?«
    »Mit Presseausweis.«
    »Besitzt du so was?«
    »Ja, sicher. Mehrere. Sogar einige von amerikanischen Journalistenverbänden. Die öffnen hier im Land so manche Tür. In Amerika ist so ein Ausweis nicht das Papier wert. Hier schon. Eure Rettungsfrontler gieren nach jedem Reporter, der ihnen einen Hauch von Internationalität verleiht. Das war schon beim Conducator so. Aber was hast du vor?«
    »Mir wird schon was einfallen.«
    Fritz lachte und reichte mir einen Streifen amerikanischen Kaugummi. »Okay. Was auch immer dir einfällt: Wenn du an Stephanescus Thron sägst, ich säge mit.«
    Seit Stunden wartete Petre Petrov am Nachmittag des Heiligen Abends im Foyer des Interconti, wo es von Menschen wimmelte. Aufständische Studenten, verletzte Demonstranten, Militärs, Parteikader, unerkannte Sekuristen, RettungsfrontIer, Schwarzgeldtauscher, Fotografen. Niemand wusste, wer zu wem gehörte und auf wessen Seite er stand, am wenigsten die westlichen Journalisten, die dem ungewissen Schicksal des Conducators einen weit höheren Nachrichtenwert beimaßen als den Wirren und Verteilungskämpfen um die politische Zukunft des Landes.
    Als Petre mich in dem Gemenge entdeckte, schnauzte er mich an: »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Ich dachte, wir wollten Revolution machen.«
    Bevor ich antwortete, stutzte Petre. Er musterte den Mann an meiner Seite und kramte in den hintersten Kammern seines Gedächtnisses. Dann stürzte er mit drohenden Fäusten auf den Fotografen zu. »Hofmann, du Arschloch. Du Priesterverräter ! Was willst du hier?«
    Ich bot alle

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