Wie die Menschheit zur Sprache fand

Männchen besteht eine gute Chance, dass sie sich an der Aufzucht weiterer Jungtiere beteiligen werden. Frauen unserer eigenen Art legen ähnliche Vorlieben an den Tag, würden ihre Wahl selbst allerdings eher der sexuellen Attraktivität ihres Partners zuschreiben, denn der unbewussten Suche nach hochwertigem väterlichem Genmaterial.
    Da das Austragen, Stillen, Umhertragen und Aufziehen von Jungen eine große physische Belastung darstellt, sind Mütter auf die nötigen Ressourcen wie Nahrung, Wasser und Unterschlupf angewiesen. Statt um das andere Geschlecht konkurrieren Weibchen also eher um Ressourcen. Eine mögliche Strategie in diesem Zusammenhang ist das Erreichen eines hohen Rangs innerhalb der weiblichen Hierarchie. Zwar gibt es nicht bei allen Arten eine weibliche Sozialhierarchie, doch bei vielen Arten mit hierarchischer Sozialstruktur korreliert der Erfolg eines Weibchens bei der Beschaffung von Nahrung und der Aufzucht von Jungen deutlich mit seinem Rang.
    Bei anderen Primatenarten als dem Menschen spielt die Vaterschaft eine weniger tragende Rolle, und die Aufzucht der Jungen geht vor allem zu Lasten der Mütter. Erwachsene Weibchen in Gruppen mit nur einem Männchen müssen sich und
ihren Nachwuchs vor aggressiven Männchen beschützen, sie verteidigen ihre Jungen daher gemeinsam gegen potenzielle Angreifer. Ähnliches »Tantenverhalten« findet sich bei verschiedenen Arten von sozialen Gruppen und anderen Aspekten der Jungenaufzucht und Säuglingspflege, und zwar bevorzugt unter verwandten Weibchen. Doch auch wenn Verwandte wie Tanten und Großmütter für das Überleben eines Säuglings von vitalem Interesse sein können, so geht doch die gegenwärtige Evolutionstheorie (unter dem Einfluss von Harlows Beobachtungen) davon aus, dass das wichtigste Individuum im Leben eines Neugeborenen die Mutter ist.
    Als Harlow einige seiner Affen künstlich besamen und Junge bekommen ließ, erwiesen sich die frisch gebackenen Mütter als derart ungeschickt, dass ihre Kinder in freier Wildbahn nie und nimmer überlebt hätten. Da sie isoliert aufgewachsen und ihnen der Körperkontakt mit der eigenen Mutter und natürlich jedem anderen Affen vorenthalten worden war, arbeitete die Selektion gegen sie, wenn auch in einem eher unnatürlichen Sinne. Im Verlauf der frühen Menschheitsgeschichte wurde den Säuglingen unserer Vorfahren der anhaltende Körperkontakt zu ihren Müttern ebenfalls genommen, dieses Mal aber unter natürlichen Bedingungen. Den Überlebenden dieses Experiments der Natur erging es sehr viel besser als Harlows Affen, ja sie bereiteten den Boden für das, was aus unserer Art dereinst werden sollte.

Der aufrechte Gang: Katalysator für ein Experiment der Frühgeschichte
    Als sich die Wege von Homininen und Schimpansen vor fünf bis sieben Millionen Jahren trennten, schlugen unsere Vorfahren einen Pfad ein, der in einem der gewagtesten natürlichen Experimente der menschlichen Frühgeschichte enden sollte. 9 Bei diesem natürlichen Experiment wurden Säuglinge genau wie bei
Harlow um die allgegenwärtige Wärme und den Schutz durch ihre Mütter gebracht, und zwar deshalb, weil unsere Vorfahren statt wie bis dahin vorwiegend auf vier nun mehr auf zwei Beinen zu gehen begannen.
    Viele Paläoanthropologen sind sich zwar darin einig, dass die Selektion für den aufrechten Gang der entscheidende Faktor gewesen sein muss, der die Homininen von den Menschenaffen divergieren ließ, sie sind sich jedoch nicht sicher, warum der Gang auf zwei Beinen überhaupt selektioniert wurde. Bestand sein evolutionärer Vorteil primär darin, die vorderen Gliedmaßen frei zu machen, um bessere Steinwerkzeuge herstellen oder Nahrung, Wasser, Zweige oder Steine umhertragen zu können? Oder hatte der aufrechte Gang seinen Ursprung in dem aufrecht stehenden Homininen, der Früchte, Nüsse und Insekten von den Bäumen klaubte und über hohes Gras äugend das umliegende Terrain nach Wild oder Räubern absuchte? Könnte - in Anbetracht dessen, dass die Fähigkeit, einen Marathon zu laufen, einzig dem Menschen eigen ist - der Hauptvorteil des aufrechten Gangs vielleicht auch in der Möglichkeit bestanden haben, auf der Jagd fliehendes Wild einzuholen? 10 Oder bestand der Vorteil ursprünglich darin, möglichst wenig Körperoberfläche den gefährlichen UV-Strahlen der aggressiven