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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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kleiner, da müsste man sogar von Kleinheitswahnsinn sprechen. Weil eines muss man schon ganz ehrlich sagen. Der Brenner war ein guter Beobachter, gar keine Diskussion. Aber weil ihm die Conny nicht schlecht gefallen hat, ist es ihm vielleicht passiert, dass er sich vor ihrer Haustür ein bisschen weggeträumt hat. Ich muss zugeben, dass ich es ganz kurz selber geglaubt habe, fürchterlich.
    Aber eines muss ich dem Brenner lassen. So schön geträumt wie auf seiner Beobachtungsbank am Donaukanal hat er schon lange nicht mehr. Weil Schlaf in der frischen Luft zählt ja dreifach, das musst du dir vorstellen wie den Vormitternachtschlaf, der doppelt zählt, nur eben dreifach.
    Aber dass es so was gibt! Drei Stunden lang ist der Verkehr an ihm vorbeigedonnert, und jetzt wacht er auf, weil auf der anderen Straßenseite jemand die Haustür aufmacht.
    Die Conny hat wieder ihr selbst genähtes oranges Zelt angehabt, als hätte sie sich beim Entwerfen gedacht, falls mich einmal ein Detektiv verfolgt, soll er es nicht so schwer haben. Und dazu noch eine orange Baseballkappe, da weiß ich jetzt gar nicht, ob sie die auch selber gemacht hat.
    Du wirst sagen, war die orange Kappe nicht eine Spur zu jugendlich für sie? Absoluter Blödsinn, die Kappe hat ihr wunderbar gepasst, hinten ist der Rossschwanz herausgestanden, und bewegt hat sie sich auch so flott, da hat der Brenner schauen müssen, dass er rechtzeitig von seiner Bank aufkommt. Gefühlt hat er sich nicht, als hätte er dreifach drei Stunden geschlafen, sondern als wäre ihm eine Straßenwalze drübergefahren. Er hat aufpassen müssen, dass ihn die Conny nicht schon auf dem Weg zum Augarten-Haupteingang hinunter abhängt. Ich muss ehrlich sagen, bei aller Sympathie mit dem Brenner, aber einen Frühpensionisten als Mann hätte man der nicht an den Hals gewünscht.
    Ohne die orange Kappe hätte er sie vielleicht aus den Augen verloren, aber so gar kein Problem. Weil der Beobachter soll verschmelzen mit dem Hintergrund, aber der Beobachtete natürlich soll wieder nicht verschmelzen, sonst hört sich der Spaß auf, und da orange Kappe natürlich ideal.
    Drinnen im Augarten ist sie zuerst ein bisschen auffällig Zickzack gegangen, einmal um den Geschützturm herum, aber dann gleich oben beim Gaußplatz-Eingang wieder hinaus. Jetzt Erleichterung beim Brenner, weil alle Hundekekse sind bisher im Augarten gestreut worden, und wenn sie den Augarten verlässt, sofort wieder Hoffnung: Vielleicht ist sie doch nicht die Keksstreuerin. Gefühlswelt vom Brenner natürlich wahnsinnig anstrengend, weil andererseits ist er ihr ja gefolgt, damit er sie erwischt, rein dienstlich betrachtet. Und es gibt auf der Welt nichts Anstrengenderes als etwas suchen, von dem du hoffst, dass du es nicht findest.
    Diese umgekehrten Situationen sind im Leben überhaupt immer die anstrengendsten. Vor allem bei den Ängsten. Natürlich ist auch die Angst vor einer realen Gefahr nicht angenehm, und wenn dich ein Bodybuilder oder sonst ein bis zu den Zähnen bewaffneter Faschingsprinz bedroht, ist es schlimm genug. Aber die Angst, die eine Abwesende auslösen kann, ist noch einmal ganz was anderes.
    Jetzt hat der Brenner beim Gedanken an die verschwundene Hartwig auf einmal so ein ungutes Gefühl gekriegt, dass er froh war, wie er diese vertraute Stimme gehört hat: «Geh heim, es hat keinen Sinn», hat der Antidetektiv geflüstert. Und der Antidetektiv immer die besten Argumente: Sogar wenn sie die Keksstreuerin ist, wird sie wahrscheinlich jetzt keine Kekse mehr streuen, wo sie mit der Verfolgung rechnen muss, also geh heim. Siehst du, das hat was für sich. Darum regiert ja heute längst der Antidetektiv die Welt, egal wo du hinschaust, und die richtige Observation als Kunst praktisch ausgestorben.
    Ich muss ganz ehrlich zugeben, wahrscheinlich wäre der Brenner auch heimgegangen, wenn er nicht befürchtet hätte, dass ihn daheim die Magdalena wieder schwach anredet, und: Du hast ja noch gar nichts herausgefunden. Da ist er ein bisschen zwischen zwei Frauen gestanden.
    In der Wasnergasse ist die Conny an der Außenseite der Augartenmauer entlanggegangen, und beim nächsten Eingang ist sie wieder hineingeschlüpft, da hätte sie eigentlich gleich drinnen bleiben können. Dann im Park weiter die Mauer entlang, sehr elegante Bewegungen, bitte sag das nicht weiter, aber da hat der Brenner schon ein bisschen den Eindruck gehabt, die Alleebäume verneigen sich vor der Conny, so ein anmutiges Spazierengehen ist

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