Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Geländewagens nieder, hängte unseren Akku ans Radio und spazierte wie jeden Tag einmal die Senderskala rauf und runter.
Wir alle richteten uns ruckartig auf, als plötzlich eine Stimme das Rauschen durchdrang.
» Der Schrottmann hat ihr echt ’n Schreck eingejagt, sag ich dir.« Der Sprecher hörte sich nach Jumpy-Jump an und näselte wie ein Südstaatler. » Hat ihr gesagt, Paddy soll sich in Acht nehmen, dass er beim nächsten Schwulenklatschen nicht auch was abkriegt.«
Eine zweite jugendliche Stimme lachte heiser. » Ja, Paddy macht’s lieber mit der Faust als mit dem Finger.«
Sie schwafelten weiter, tratschten in ihrem Kauderwelsch über den Schrottmann und Paddy, wer lieber aufpassen und wer persönlich beim Radiosender vorstellig werden sollte.
» Na los, sagt mal was Nützliches«, knurrte Jean Paul.
Noch mehr Schwachsinn. Die Termite arbeitete für die Feuerwehr, deswegen musste man sie mal ordentlich nass machen.
» Wenigstens erfahren wir auf diese Weise, dass von Savannah noch was übrig geblieben ist«, bemerkte Colin.
» Lasst uns nach Hause gehen«, sagte ich. » Ich hab das alles satt.«
» Da könnte es noch schlimmer sein als hier«, gab Cortez zu bedenken.
» Als ich noch in Twin City war, habe ich gehört, dass man sich in Savannah eigentlich nicht mehr aufhalten kann. Wir haben uns mit ein paar Leuten dort über Kurzwelle verständigt«, sagte Phoebe. » Aber das ist jetzt natürlich fast sechs Monate her.«
Wir schwiegen enttäuscht und hörten weiter zu, wie die beiden Jugendlichen über Tötungsarten schwadronierten.
» Ist mir egal«, sagte ich. » Ich bin diese Geisterstädte leid.«
» Wo sollen wir denn wohnen, wenn wir zurückgehen?«, fragte Colin. » Weil viele Leute tot sind, gibt es möglicherweise mehr Wohnraum, aber vielleicht auch weniger, weil viele Häuser abgebrannt sind. Doch das spielt sowieso keine Rolle, weil wir keine Miete bezahlen können.«
» Der Großkotz legt einen Zickzackkurs hin, damit die Bohnenstange nicht an ihm vorbeikommt«, sagte der Radiosprecher gerade.
Wir sahen uns an, schauten dann auf den Boden.
» Also, wenn die Infrastruktur in Savannah intakt ist, kann ich euch für den Anfang natürlich so viel Geld zur Verfügung stellen, wie ihr braucht«, sagte Jean Paul. » Aber ich habe da so meine Zweifel.«
Vielleicht hätte ich seine Bemerkung als großzügiges Angebot verstehen können, aber in meinen Ohren klang sie herablassend.
» Lasst uns doch einfach mal in die Richtung wandern«, sagte ich. » Nach Westen wollen wir nicht, denn in Athens oder in Atlanta ist es bestimmt noch schlimmer als in Savannah. Im Süden wäre es nur viel heißer und trockener. Und im Norden rennen die ganzen Bewaffneten rum. Wir können Savannah auskundschaften, und wenn es zu schlimm ist, ziehen wir an der Küste entlang nach Norden.«
Da niemand einen besseren Vorschlag hatte, brachen wir in Richtung unserer Heimatstadt auf.
» Was sagst du da? › Wams‹? Das Wort gibt es nicht. › Wams‹ hab ich noch nie gehört und auch noch nie gelesen«, sagte Phoebe. Sie sprang gerade vom Dach eines Geländewagens herunter, krachte durch Bambusstängel und landete auf dem Kofferraum einer Limousine.
» Doch, das Wort gibt es«, widersprach ich. » Es ist einfach ein altes Wort und bezeichnet eine Art Weste für Männer.«
» Also, ich suche uns ein Wörterbuch. Wollen wir wetten?«
» In einem kleinen Taschenwörterbuch wird es nicht drinstehen, aber wenn du ein dickes findest, so einen Wälzer, mit dem man einen Ochsen erschlagen kann, dann wette ich mit dir. Ich wünschte, es gäbe das Internet noch. Dann könnten wir es einfach googeln.«
In der Ferne sah ich etwas Farbiges, und ich spürte, wie eine alte Faszination in mir erwachte, eine Begeisterung aus meiner Kinderzeit. Leuchtende bunte Fahnen, rot-weiß gestreifte Markisen. Ein Riesenrad ragte hoch über dem Bambus auf. » Guck mal«, sagte ich. » In der Stadt ist Kirmes.«
Einen Moment lang war Phoebe verwirrt, dann sah sie, wo ich hinschaute, und ein Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus. » Oh Mensch, wie ich so eine richtige Kirmes liebe!«
» Ich auch. Glaubst du, die Schausteller haben was Brauchbares für uns dagelassen, als sie abgehauen sind?«
» Wohl kaum. Die sind vermutlich ohnehin nur mit leichtem Gepäck herumgezogen.« Phoebe schlug nach einem Insekt hinter ihrem Ohr und schaute dann auf ihre Hand. » Aber wir können ja mal rübergehen und nachschauen.«
» Gute Idee.
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