Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Kooperative gelebt, die sich in Twin City gebildet hatte, aber dann hatte sie sich dort mit ihrem Freund überworfen und war weggegangen. Die Einzelheiten erzählte sie häppchenweise, dazwischen zuckte sie immer wieder zusammen und vergoss auch ein paar Tränen. Ich berichtete ihr von den Tiefpunkten in meinem Leben und suchte dann nach etwas, das sie zerstreuen könnte.
» Was hast du denn da alles auf dem Nachttisch?«, erkundigte ich mich. Außer der Postkarte standen dort Fotos, kleine Stofftiere, Figürchen und ein Buch, alle sorgfältig angeordnet.
» Das sind meine Sachen«, sagte Phoebe mit einem schüchternen Lächeln. » Sie beruhigen mich. Überall, wo ich übernachte, stelle ich sie ganz genauso auf, dann fühle ich mich etwas mehr zu Hause.«
» Und wenn du im Freien schläfst?«
Verlegen zuckte sie die Achseln. » Draußen mache ich das auch so.«
Ich stellte mir vor, wie sie auf einem Bett aus Blättern schlief und neben sich auf der Erde, auf einem gesäuberten Viereck, ihre Schätze arrangiert hatte, als Talisman gegen die eisigen Winde des Verlustes und der Ungewissheit.
» Vertraute Gegenstände helfen mir, die Angst zu bewältigen. Ich war schon immer ängstlich, schon bevor alles so schlimm geworden ist.« Vor Schmerzen kniff sie die Augen zusammen. » Au. Manchmal ist es ein Gefühl, als würde ich ertrinken– als bliebe mir keine Luft mehr zum Atmen.« Sie blies eine Strähne ihres unglaublich lockigen Haars zurück. » Tut mir leid, ich wollte mich nicht bei dir ausweinen. Aber ich war lange allein, und ich glaube, davon werde ich sonderbar.«
» Nein, nein, alles in Ordnung«, sagte ich. » Sprich einfach weiter. Ich bin fast fertig.«
Ich betrachtete die merkwürdige Sammlung auf ihrem Nachttisch. Ein Foto zeigte ein Mädchen und eine ältere Frau. Das Mädchen trug ein Trikot mit einer Nummer darauf. Offensichtlich befanden die beiden sich auf einer Sportveranstaltung. » Bist du das?«
Phoebe schaute über meine Schulter. » Mhm. Mit meiner Oma, bei einem Leichtathletik-Wettkampf.«
» Geschafft.« Ich lehnte mich zurück und entspannte meine schmerzenden Schultern. Die Nadel baumelte an einem kurzen Fadenende an Phoebes Bein. Ich schnitt den Faden mit einem Taschenmesser ab, das Cortez mir zurechtgelegt hatte. Dann deckte ich die Wunde mit einem Stück Gaze ab, das ich mit Klebstreifen befestigte. Binden hatten wir nicht.
» Danke, Herr Doktor«, sagte Phoebe. » Ich habe meine Schecks gerade nicht mit, aber sie können mir an diese Adresse hier eine Rechnung schicken.«
» Bist du schon lange hier?«, fragte ich.
» Ein paar Tage.«
Ich nahm ein kleines Stoffschweinchen vom Nachttisch.
» Sir Francis Bacon«, sagte Phoebe.
Mit einem Fingernagel tippte ich gegen die Postkarte. » Es rührt mich richtig, dass du mein Geschenk in deiner Sammlung von Erinnerungsstücken aufbewahrst.«
Phoebe lachte. » Ja, das ist fast, als wäre deine Karte in einem Museum ausgestellt.«
Erinnerungen an die Zeit damals stiegen in mir auf– die Musik im Lager, die ersten Polio-X-Opfer und wie die Bullen uns aus der Stadt verjagt hatten. Ich hatte mir so viele Gedanken wegen meiner Verabredung mit Phoebe gemacht, weil ich ja die » Beziehung« zu Sophia hatte. Ironischerweise befand sich die Frau, von der ich damals so besessen gewesen war, jetzt draußen vor dem Haus. Ich fand, dass ich für nostalgische Gefühle noch nicht alt genug war, und die Zeit damals war ja auch alles andere als schön gewesen, aber trotzdem verspürte ich eine unbeschreibliche Sehnsucht.
» Nicht zu fassen, dass wir uns anfangs nicht wiedererkannt haben«, sagte Phoebe.
» Wie viele Jahre ist das her? Zehn? Elf?«
» Es kommt mir vor wie eine ganz, ganz lange Zeit«, sagte sie. » Kann das sein, dass ich erst fünfunddreißig bin?«
» Meine Mutter hat mal gesagt, ich würde irgendwann erschrocken feststellen, wie schnell das Leben vorbeifliegt«, sagte ich. » Aber wenn man meistens Angst hat, ist das anders, glaube ich.«
Phoebe stand auf. » Sollen wir zu den anderen gehen?« Wir verließen ihr Zimmer.
Wir saßen lange draußen auf dem Parkplatz und unterhielten uns. Phoebe erzählte uns von Stephan, der mehr oder weniger ihr Ehemann gewesen war und ihr irgendwo am Ende der Welt den Laufpass gegeben hatte, denn er war eine Beziehung eingegangen, die an Pädophilie grenzte. Wir berichteten ihr von Jeannies Entbindung und von Ange– wobei ich von Ange nur die halbe Wahrheit erzählte.
Schließlich stand
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