Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Mein Herz klopfte so heftig, dass ich spürte, wie das Blut in meinem Hals pulsierte. » Mein Gott«, sagte Colin.
Der Große, dem ich in die Brust geschossen hatte, rang heftig nach Luft. Der andere hatte sofort aufgehört zu atmen, als meine Kugel ihn getroffen hatte.
Zur Abwechslung hämmerte mein Herz einmal nicht vor Angst, sondern vor Wut. Die emotionale Erregung war nicht nach innen gerichtet, sondern entlud sich nach außen, und das tat gut.
» Was hast du getan?«, fragte Sophia mit großen Augen. » Wir wissen doch gar nicht, ob sie uns etwas antun wollten.« Sie hockte sich neben den Mann, der noch lebte.
» Doch, die wollten uns etwas antun. Das weißt du genau, und ich weiß es auch«, widersprach ich.
» Vielleicht waren es irgendwelche Soldaten oder Polizisten. Sie haben uns nur gebeten, unser Gepäck abzulegen. Dafür darf man Leute nicht erschießen.«
» Ich lasse nicht zu, dass noch mehr von meinen Freunden umkommen.« Meine Stimme zitterte. » Und wenn das heißt, dass ich Fremde erschieße, bevor sie uns verraten, ob sie nun Mörder sind oder einfach Arschlöcher, dann soll mir das recht sein.«
Der Mann mit der Schusswunde hustete einen Blutschwall aus und gab dann ein Geräusch von sich, als würde er ersticken.
» Helft ihm doch«, sagte Sophia.
» Können wir nicht«, sagte ich, ohne den Blick von dem Schwerverletzten abzuwenden. » Er stirbt.«
» Was ist bloß mit dir passiert?« Sophia rollten die Tränen über die Wangen, und ihr Blick sprach Bände. Du bist nicht der Mann, für den ich dich gehalten habe. Wie konnte ich jemals glauben, ich würde dich lieben?
» Ich hatte nicht das Glück, die letzten zehn Jahre hinter Zäunen und einem von Söldnern bewachten Tor zu verbringen. Das ist mit mir passiert.« Jeannie versuchte, uns zu unterbrechen und die Situation zu entschärfen, aber ich redete lauter als sie. » Solche Männer wie die beiden hier haben mich in den vergangenen Jahren ständig terrorisiert. Ich musste mit ansehen, wie sie einen Menschen, den ich geliebt habe, gefoltert haben. Das ist mit mir passiert. Jetzt weißt du’s!«
Ich wollte mir einreden, dass das einfach so rauskam– dass es mir im Grunde gar nicht so wichtig war, den Streit zu gewinnen, und ich deswegen nicht die Wahrheit über Anges Tod verraten und sie Sophia um die Ohren gehauen hätte. Aber Sophia hatte mich gerade eben als Mörder bezeichnet.
» Okay, beruhige dich«, sagte Cortez. » Gib mir deine Waffe, ja?« Er streckte die Hand aus.
Ich schob die Pistole wieder in meinen Gürtel.
Da spürte ich eine Hand auf dem Rücken. Phoebe.
» Komm.« Sie nahm mich am Ellbogen. » Wir machen einen Spaziergang.« Ich sah, wie Cortez Phoebe zunickte, als wolle er sagen, genau so müsse sie mit diesem Mann umgehen, der eindeutig den Verstand verloren hatte und Opfer seiner Traumatisierungen geworden war. Ich ließ mich von Phoebe fortführen, einen Wildwechsel entlang bis zu einem großen Teich, der fast ganz ausgetrocknet war.
Der trockene Schlamm war von Spalten durchzogen, von langen, gezackten Rissen. Sie erinnerten mich an die Rinde der Lebenseichen, die in Savannah die Straßen säumten. Ich starrte auf die Risse, als hätten sie einen besonderen Sinn, eine symbolische Bedeutung, die mein emotional erschöpftes Hirn nicht erfassen konnte.
» Hier«, sagte Phoebe. Ich spürte, wie sie mir dick Insektenschutz in den Nacken schmierte. Dabei hatte ich gar keine Mücken wahrgenommen.
» Danke.«
Der sinkende Wasserspiegel hatte eine Fülle von Müll freigegeben, den man in den vergangenen Jahrzehnten im Teich entsorgt hatte: Kaputte Getränkedosen, abgefahrene Reifen, Angelschnüre, zwei Fahrräder, ein Nummernschild.
» Alles klar?«, fragte Phoebe.
» Ja.« Ich ging in den ausgetrockneten Teich hinein und zog mit dem Zeh an einem der Fahrräder. Mit einem saugenden Geräusch löste es sich aus dem Schlamm. In den Rahmen war die Marke eingraviert: Hard Rock. » Habe ich mich geirrt? Wären die beiden wirklich gleich weitergegangen?«
» Nein«, sagte Phoebe. » Du hast sie richtig eingeschätzt.«
Weiter draußen, neben der rostroten ovalen Wasserpfütze in der Mitte der Schlammfläche, entdeckte ich einige Knochen. Dem Aussehen nach konnten es Menschenknochen sein. Ich ging zu Phoebe zurück. » Aber irgendwie war es ein gutes Gefühl, und das macht mir eine Wahnsinnsangst. Wir haben ja gerade gestern über das Thema gesprochen. Ich habe mich wirklich verändert. Ich bin nicht der, für
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