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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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Karussells. » Sie ging immer so verdammt langsam. Als wäre jeder einzelne Schritt wahnsinnig anstrengend. Deswegen habe ich sie verlassen.« Phoebe schniefte wieder und wischte sich die Nase am Jackenärmel ab. » Einen halben Tag später hatte ich so ein schlechtes Gewissen, dass ich zurückging, um sie zu suchen, aber sie war nicht mehr da.«
    Jetzt musste ich antworten. Dieses Geständnis durfte nicht einfach ins Leere gehen. Aber mir war, als wäre ich mit Stummheit geschlagen. Also beugte ich mich zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie drückte mich an sich, und wir hielten uns, bis aus unserer Umarmung etwas wie ein langsamer Tanz im Sitzen wurde. Ich schaukelte Phoebe ganz sacht, während sie an meinem Hals weinte.
    Endlich lösten wir uns wieder voneinander und schauten auf den verrückten Kirmesplatz hinaus. Ich sah in das Riesenrad hoch, das mit seinen Gondeln gleich neben uns aufragte, und überlegte, wie viel Mut es Phoebe wohl gekostet hatte, mir diese Geschichte zu erzählen. Plötzlich war mir klar, wie meine Antwort aussehen musste.
    Mühsam holte ich Luft und begann mit meiner eigenen Geschichte. » An einem Tag vor ungefähr drei Monaten hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, ein Schwein zu stehlen, von einer Farm…« Schon jetzt versagte mir die Stimme. Ich fragte mich, wie ich Phoebe die ganze Geschichte erzählen sollte, wenn ich nicht mal den ersten Satz zu Ende bringen konnte.
    Doch ich schaffte es. Ich berichtete Phoebe, was wirklich mit Ange passiert war. Ich hatte es noch keiner Menschenseele erzählt. Dabei weinte ich, aber als alles heraus war, war ich erstaunt, wie erleichtert ich mich fühlte.
    Doch an der Stelle hörte ich nicht auf. Ich berichtete Phoebe, wie Cortez Tara Cohn getötet hatte, welchen Anteil ich daran gehabt hatte, und wie wir die Männer erstochen hatten, die Ange vergewaltigen wollten. Dabei vergoß ich keine weiteren Tränen. Ich war ganz leer geweint, außerdem quälten diese Ereignisse, so schrecklich sie auch waren, mich nicht so sehr wie Anges Tod.
    Danach saßen wir einfach eine Zeit lang nebeneinander. Ich war vor Erschöpfung wie betäubt.
    » Das Wort › Karussell‹ gefällt mir«, sagte sie schließlich, als wäre sie in Gedanken weit weg. » Es ist so fröhlich.«
    » Mmm«, erwiderte ich.
    » Aber nicht die billige, einfache, platte Form von Fröhlichkeit, so wie › Konfetti‹.«
    » Nein. Überhaupt nicht.«
    Phoebe spielte an einem Blusenknopf herum, ihr Blick war in die Ferne gerichtet. Sie hatte so schöne, zierliche Handgelenke. » Als wir damals in Metter zusammen ausgegangen sind, war ich noch Jungfrau. Ich bin bis sechsundzwanzig Jungfrau gewesen«, sagte sie. » So bin ich eben.«
    » Das glaube ich dir gern, mit deiner Strickjacke und so.«
    Phoebe lachte. » Aber manchmal frage ich mich: Bin ich das wirklich? Ich hätte nie gedacht, dass ich meiner Mutter so etwas antun könnte. Aber jetzt weiß ich, dass ich dazu fähig bin, und wie kann ich da annehmen, ich wäre noch derselbe Mensch, für den ich mich früher gehalten habe?«
    Ich nickte. » Man fragt sich, ob man ein schrecklicher Mensch ist, weil man etwas Schreckliches getan hat, auch wenn man keine andere Wahl hatte«, sagte ich.
    » Ja.«
    » Manchmal habe ich solche Angst, dass diese Welt mich zu einem Monster gemacht hat, das zu entsetzlichen Dingen fähig ist. Oder dass sie das Monster in mir freigesetzt hat.«
    » Ja, das ist es. Ganz genau.«
    Jemand war durch das Spiegelkabinett gegangen und hatte einen großen Teil der Spiegel zerschlagen. Die Fassade draußen war mit riesigen weißen Clownsgesichtern bemalt. Eine Fratze war lang und spitz, eine andere dick und rund.
    Wir redeten weiter– über unsere Ängste und über unseren Schmerz, den Kummer angesichts dessen, was wir getan hatten. Es tat gut, dass jemand zuhörte, ohne zu verurteilen.
    Erst als es dunkelte, wurde uns klar, wie spät es inzwischen geworden war. Phoebe hob die Arme über den Kopf und streckte sich. Dabei zeichnete sich unter ihrer Bluse ganz leicht eine Brustwarze ab. Es war, als hätte ich einen Blick auf einen seltenen Vogel erhascht, der sich in dichtem Laub verborgen hielt und gleich wieder verschwand, als sie die Arme sinken ließ. Sie war eine schöne Frau. Ich fragte mich, ob meine Liebesfähigkeit vielleicht doch nicht so tief vergraben war, wie ich gedacht hatte. Vielleicht fürchtete ich mich nur vor diesen Gefühlen, oder sie waren mir peinlich, oder ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen.

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