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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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Oder alles zusammen.
    » Mit großen Gefühlen komme ich nicht mehr klar«, sagte Phoebe, als habe sie meine Gedanken gelesen. » Mein Tank ist leer. Mit Liebe kann ich nicht mehr umgehen, und ich könnte auch keine tränenreichen Trennungen mehr bewältigen.«
    » Ich auch nicht«, sagte ich.
    Sie schaute mich mit ihren meergrünen Augen an. Ich beugte mich zu ihr hinüber und gab ihr einen Kuss, ganz leicht, fast nur gehaucht. Das hatte ich nicht vorgehabt– ich tat es einfach, ohne darüber nachzudenken. Zu meiner Überraschung protestierte Phoebe nicht. Und erst recht überrascht war ich, dass mich dabei leichte Frühlingsgefühle durchwehten und über die Verzweiflung emporhoben, die sich so fest in mir eingenistet hatte und alles andere verdrängt zu haben schien.
    Wir schwiegen beide. Dann machten wir uns auf den Rückweg, als wenn nichts gewesen wäre.
    Unterwegs wurde mir klar, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so ein Gespräch geführt hatte wie an diesem Nachmittag mit Phoebe. Nicht einmal mit Ange hatte ich so reden können.
    Ich starrte auf eine dichte Wand aus Kudzu, bis mir plötzlich klar wurde, dass in diesem Wirrwarr aus grünen Ranken ein ganzes Haus versteckt war. Ein Zaunkönig schlüpfte durch einen Spalt in den Latten direkt unter dem Dach. Ganz in der Nähe entdeckte ich ein weiteres Haus.
    » Ist euch schon aufgefallen, dass hier Häuser stehen?«, fragte ich und deutete auf die Gebäude.
    Alle drehten sich um. Phoebe lachte. » Mir nicht.«
    Wir hatten die Nacht im Freien verbracht, nur zehn Meter von einem schützenden Dach entfernt. Ich rollte mein Bettzeug zusammen und stopfte es in den Seesack, den ich irgendwo hatte mitgehen lassen.
    Phoebe packte gerade ihren Krimskrams ein. Mir schien, dass wir unsere Lagerstätten jede Nacht ein wenig näher aneinanderrückten.
    » Wie sind deine Eltern gestorben?«, fragte sie.
    » In den Wasserunruhen von 2021. Die Einzelheiten weiß ich nicht, aber vor den Unruhen haben sie noch gelebt, und danach waren sie tot.« Ich pflückte einen Bambussprössling und drehte ihn zwischen zwei Fingern. » Und wie ist dein Vater gestorben?«
    » Meine Mutter hat gesagt, er sei an einem Hühnerknochen erstickt.«
    » Kaum zu glauben.« Das war ein ziemlich unzeitgemäßer Tod. Doch trotz der vielen furchtbaren Todesarten, die es heute gab, erstickten manche Leute anscheinend immer noch an Hühnerknochen.
    » Lasst uns aufbrechen«, rief Cortez.
    » Alles klar, Boss«, rief Colin zurück. Cortez bedachte ihn mit einem » Pass bloß auf«-Blick.
    Ich warf mir den Seesack über die Schulter. Mit jedem Tag, den wir unsere Survival-Diät fortsetzten, wurde er etwas schwerer.
    Zwei Männer kamen aus dem Dickicht geschlendert. Einer war von Kopf bis Fuß in Tarnkleidung, der andere trug eine frische weiße Baseballuniform der Atlanta Braves. Beide hielten Sturmgewehre in den Händen.
    » Was haben wir denn hier?«, fragte der Kerl im Tarnanzug. Seine eng stehenden Augen verschwanden fast in einem krausen schwarzen Bart.
    » Wir sind nur auf der Durchreise«, erklärte Cortez.
    » Ja? Wo soll’s denn hingehen?«, fragte der Mann in der Baseballuniform. Sie erinnerte mich an die Verkleidung der Jumpy-Jumps. Waren sie tatsächlich so weit aus der Großstadt herausgekommen? Doch, alles war möglich. Der Kerl kam zu uns und zog an der Ecke der Plane, die wir über einen der großen Rucksäcke mit unserem gemeinschaftlichen Besitz gebunden hatten. Mit seinem fleischigen Gesicht wirkte er wie ein Linebacker im B-Footballteam an der Highschool irgendeines hinterletzten Kaffs, der andere herumschikanierte und nie ein Mädchen abkriegte.
    » Nach Savannah«, antwortete Cortez.
    Der Mann wandte sich wieder an uns. » Wisst ihr was– legt doch einfach mal euer Gepäck wieder ab.« Er musterte Phoebe von oben bis unten.
    Ich kannte dieses Spiel, ich wusste, worauf das hinauslaufen würde, auch wenn er gerade erst angefangen hatte. Hier, iss. Aber ich wollte nicht, dass er weiterspielte.
    Mit einer Ruhe, die ich mir gar nicht zugetraut hatte, griff ich hinter meinen Rücken, zog eine Pistole aus dem Gürtel, zielte und fing an zu schießen.
    Ich drückte einfach immer wieder ab. Den einen traf ich genau in den Mund, den anderen erst oben in die Brust, dann in die Seite. Sie wurden rückwärtsgepustet wie Statisten in einem Actionfilm, mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen.
    Die Schüsse verhallten. Einen Moment lang herrschte Stille, dann fing Joel an zu weinen.

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