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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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den ich mich früher mal gehalten habe.«
    Phoebe dachte nach. Ich war versucht, ihr zu sagen, dass ihre Augen die gleiche Farbe hatten wie die kleinen Schildkröten, die man in der Tierhandlung kaufen konnte, damals, als es noch Tierhandlungen gab. Aber dafür war jetzt eindeutig kein günstiger Zeitpunkt.
    » Vielleicht ist diese Veränderung nur vorübergehend«, sagte sie. » Vielleicht musst du dein wahres Wesen eine Zeit lang verstecken, weil es nicht anders geht.« Phoebe nickte, als sei sie überzeugt, dass sie auf der richtigen Spur war. » Wie ein Soldat. Die Soldaten, die gegen die Nazis gekämpft haben, haben ihre Menschlichkeit auch nicht verloren, obwohl sie schreckliche Dinge tun mussten.«
    Ich kickte gegen den eingetrockneten Schlamm. Ich war nicht in der Stimmung, mich als ehrbaren Soldaten zu sehen. Je mehr Zeit verstrich, desto übler wurde mir, wenn ich an die beiden Leichen dachte, die hundert Meter von hier entfernt lagen.
    » Ich weiß nicht. Ich glaube, als sie Ange getötet haben, ist etwas in mir mitgestorben. Ich weiß nicht, was es ist, aber es fühlt sich tatsächlich so an, als wäre es meine Menschlichkeit gewesen, und ich glaube nicht, dass es je wieder zum Leben erwachen wird.«
    Phoebes Augen füllten sich mit Tränen.
    » Leute, wir müssen weg!« Es war Cortez. Die Dringlichkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. Während Phoebe und ich zu den anderen zurückrannten, hörten wir aus der anderen Richtung, vielleicht hundert Meter entfernt, Stimmen aus dem Bambus.
    Eilig sammelten wir unsere Sachen ein, Cortez schnappte sich die beiden Maschinengewehre, und dann liefen wir los, auf den Bahngleisen entlang.
    Wir waren erst ein paar Hundert Meter weit gekommen, als hinter uns Rufe laut wurden. Ich warf einen Blick zurück. Eine der Gestalten auf der Lichtung hob eine Pistole und feuerte. Die Kugel ließ zehn Meter von uns entfernt Schotter aufspritzen. Wir rannten schneller.
    Ein zweiter Schuss. Ich rechnete schon fast damit, einen von meinen Freunden auf die Schienen fallen zu sehen, aber alle liefen weiter.
    » Sie sind hinter uns her. Rennt weiter!«, rief Cortez. Ich drehte mich wieder um. Es war überflüssig, denn Cortez hatte uns ja gerade informiert, dass sie uns nachkamen, aber ich musste es selbst sehen, musste sehen, wie schnell sie waren, ob sie nur halbherzig joggten oder einen richtigen Sprint hinlegten.
    Sie rannten schnell. Einer hielt beim Rennen ein Walkie-Talkie an den Mund, wahrscheinlich alarmierte er noch weitere, vielleicht die Familien der beiden Männer, die ich erschossen hatte.
    » Lasst euer Gepäck fallen!«, rief ich. Wir konnten ihnen unmöglich davonlaufen, solange jeder von uns fünfzig Pfund mitschleppte. Ich ließ meinen Seesack fallen und fühlte mich plötzlich leicht wie eine Feder. Die anderen folgten meinem Beispiel, aber wir kamen trotzdem nur so schnell vorwärts, wie Colin das Baby tragen konnte. Er hielt Joels Köpfchen fest, damit es nicht hin und her schaukelte.
    Wieder schaute ich mich um. Die Männer waren jetzt nicht mehr als hundert Meter von uns entfernt. » Sie holen auf«, keuchte ich.
    » Lauft weiter.« Cortez riss sich ein Maschinengewehr von der Schulter und ließ sich auf ein Knie fallen. Eine ohrenbetäubende Salve von Schüssen folgte.
    Mir wurde klar, dass ich ihm helfen musste. Schließlich war ich der Revolverheld, der diese Katastrophe ausgelöst hatte. Ich blieb stehen, sah, dass Cortez in meiner Schusslinie kniete, und rannte zu ihm zurück.
    Doch inzwischen waren die Männer verschwunden. Cortez sprang auf. Er wirkte überrascht und etwas ärgerlich, weil ich hinter ihm stand. » Einen habe ich getroffen«, sagte er atemlos. » Die anderen haben ihn in den Bambus getragen. Komm weiter, ich vermute, die tauchen wieder auf.«
    Wir holten die anderen ein.
    » Wir müssen vom Bahndamm runter«, sagte ich und deutete in das Bambusdickicht rechts von uns. Unsere Verfolger waren auf der anderen Seite des Bahndamms verschwunden.
    Cortez warf einen Blick zurück, dann verließ er die Gleise und rannte in den Dschungel. » Kommt mit.«
    Wir zwängten uns durch den Bambus. Wenn es nicht um Leben und Tod gegangen wäre, wäre es komisch gewesen: Sieben Menschen rannten in einer Reihe hintereinander, und manchmal wurde der Bambus plötzlich so dicht, dass wir ohne uns umzudrehen wieder ein Stück zurückgehen mussten, wie ein Zug mit sieben Wagen, der rückwärts rangiert, und uns einen anderen Weg suchen mussten.

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