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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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folgte der Stimme, holte Phoebe ein und griff nach ihrer Hand. Die anderen waren direkt vor uns. Blind tasteten wir uns hinter ihnen her durch den Bambus. Wir gingen so schnell, wie es in der Finsternis und mit Joel möglich war. Noch nie war ich so durstig, so hungrig und so müde gewesen.
    Bald leuchtete hinter mir das erste Glühen des Sonnenaufgangs. Ich konnte Phoebes Sportschuhe erkennen, ihr zerzaustes Haar.
    Aber die Sonne war doch erst vor wenigen Stunden untergegangen! Durch den Bambus war ein orangefarbenes Leuchten zu sehen.
    Dann roch ich Rauch.
    Abrupt blieb ich stehen. » Wartet mal.«
    Phoebe blieb ebenfalls stehen und rief den anderen zu, sie sollten anhalten. Ein glühender Schein leuchtete durch den Bambuswald. Seit wir ganz stillstanden, konnte ich in der Ferne das Prasseln von Flammen hören.
    » Weiß jemand, was wir tun müssen?«, fragte Cortez. » Mit Feuer kenne ich mich nicht aus.«
    Schweigen.
    » Wenn wir uns in ein Haus verkriechen, verbrennen wir darin«, sagte Colin. Lichtungen gab es nicht– der Bambus wuchs überall, und entsprechend würden die Flammen überall hingelangen.
    » Können wir vor dem Feuer weglaufen?«, fragte Jeannie.
    » Das müssen wir wohl«, sagte Colin.
    Wir rannten los. Schon nach ein paar Minuten wurde die Luft trüb und roch nach gerösteten Kastanien. Ich spürte eine undefinierbare Wärme im Rücken.
    » Das bringt nichts«, sagte ich, aber vielleicht nicht so laut, dass alle es hören konnten.
    » Wartet«, rief Colin. Ich rannte in Phoebe hinein, die stehen geblieben war. Colin deutete auf eine stählerne Kuppel, die aus dem Bambus aufragte. Ein Getreidesilo. » Wäre das nicht was? Das brennt nicht.«
    » Kommt.« Cortez übernahm die Führung.
    Die Tür war mit einem dicken Vorhängeschloss abgesperrt. Cortez zog die Pistole, schoss auf das Schloss, und es sprang auseinander. Er entfernte die Reste, riss die Tür auf, und wir liefen alle hinein.
    Es war ein runder, leerer Raum, vielleicht drei Meter im Durchmesser. Die Kuppel mochte etwa zehn Meter über uns sein, aber in der Dunkelheit war sie nicht zu sehen. Cortez zog die Tür zu. Es war dunkel und stickig. Joel fing an zu quengeln.
    Das Silo war natürlich nicht luftdicht, folglich würde Rauch hineinziehen. Aber wie viel? Ich wusste, dass Menschen, die bei Bränden umkamen, meistens vom Rauch getötet wurden, nicht vom Feuer. » Wenn es kommt, bleibt auf dem Boden und atmet so tief unten, wie ihr nur könnt«, sagte ich.
    Schweigend warteten wir ein paar Minuten, aber nichts geschah– kein Prasseln draußen, kein Rauch.
    » Vielleicht hat der Wind gedreht, und es zieht an uns vorbei?«, sagte Colin.
    » Ich schaue mal nach. Geht von der Tür weg.« Als Cortez die Tür öffnete, bildete sich erst ein Lichtstreifen, dann ein großes helles Rechteck. Das Licht, das ins Silo fiel, war orange und dick vor Rauch. Cortez warf die Tür wieder zu. » Es kommt. Legt euch alle auf den Boden.«
    Ich warf mich auf den Bauch, vergrub mein Gesicht in den Armen und schloss die Augen.
    Bereits zweimal im Leben war ich sicher gewesen, dass ich gleich sterben würde. Das erste Mal an dem Abend, als die Jumpy-Jumps mich in das Gässchen gejagt hatten, das zweite Mal, als ich bei meinem Versuch, die Farmerfamilie zu bestehlen, erwischt worden war und Ange mir das Leben gerettet hatte. Als ich jetzt im Silo lag, hoffte ich zwar, diese Feuersbrunst zu überstehen, fürchtete aber gleichzeitig, dass jetzt wirklich mein Ende gekommen war.
    Auf allen Vieren kroch ich zu Phoebe hinüber und legte die Hand auf ihr Handgelenk. Sie drehte ihre Hand um und ergriff meine.
    Ein Pfeifen war zu hören, so als würde Luft aus einem Reifenschlauch ausströmen. Der Geruch nach Röstkastanien wurde stärker.
    » Wie lange wird das wohl dauern?«, fragte jemand. Niemand antwortete. Ich glaubte nicht, dass es sehr lange dauern würde. Bewegten Waldbrände sich nicht schnell vorwärts? Auf der anderen Seite des Silos weinte Joel. Der arme kleine Kerl mit seinen zarten Lungen.
    Das Pfeifen wurde tiefer, oder vielleicht wurde es auch von einem tieferen Geräusch übertönt. Es wurde zu einem donnernden Brausen, das nichts anderes sein konnte als eine Feuersbrunst.
    Jemand hustete. Ich versuchte, das Gesicht in die Armbeuge zu pressen, um mir so einen kleinen Sauerstoffvorrat zu erhalten, aber ich spürte bereits ein Kitzeln in den Lungen. Ich hustete ebenfalls.
    Das Brausen wurde ohrenbetäubend. Als ich einatmete, füllten meine Lungen

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