Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
noch mehr Bambus pflanzen.
Die Nachrichten brachten Berichte über Doctor-Happy-Ausbrüche im Nordosten und im Westen der USA . Und auf der ganzen Welt spross der Bambus– in China, Europa, Südamerika. Mir war nicht klar gewesen, wie groß diese Kampagne der Science Alliance war. Sebastian wollte nicht sagen, ob das alles seiner Gruppe in Atlanta zuzuschreiben war, oder ob seine Gruppe als Zelle einer größeren Gruppe arbeitete. Aber so musste es sein, sonst hätte man diese flächendeckende, durchschlagende Aktion nicht organisieren können.
Auf dem Pulaski Square tobte eine Party. Zwanzig oder dreißig Feiernde hämmerten auf Trommeln und Mülltonnen herum, die anderen hatten sich eingehakt und tanzten in einer Art Square Dance um die Musiker herum. Mindestens zwei Paare hatten in aller Öffentlichkeit Sex miteinander. Auf der anderen Straßenseite, vor einem Drugstore, standen drei Polizisten mit automatischen Schusswaffen.
Aus dem Augenwinkel sah ich eine kurze Bewegung auf dem Dach oberhalb der Polizisten: Hände, die etwas fallen ließen. Etwas ovales Weißes platschte auf den Bürgersteig, den Polizisten direkt vor die Füße. Blut spritzte auf. Eine Blutbombe? Das war etwas Neues. Das Blut bespritzte die Polizisten, den Bürgersteig, die Wand des Drugstores. Die Bullen hoben ihre Waffen, zielten hierhin und dorthin und suchten nach einem Täter. Erst dann begriffen sie anscheinend, dass sie voller Blut waren. Mit angstverzerrten Gesichtern wischten sie sich hastig die Augen und die Lippen ab.
Die Partygäste schrien und lachten. Der Square Dance löste sich auf, und einige Tänzer schlenderten zu den Polizisten hinüber.
» Willkommen in der Realität!«, rief jemand.
Ein schlaksiger Kerl, der nur mit einem windelähnlichen Lendentuch bekleidet war, klopfte einem Polizisten auf die Schulter, während die anderen ihn jubelnd umringten.
Der Polizist drückte dem Schlaksigen die Pistole in den Bauch und schoss. Der Mann stolperte rückwärts. Bevor er auf dem Asphalt aufschlug, feuerten die anderen Polizisten schon wild in die Menge. Schreie zerrissen die Luft, Menschen krümmten sich und prallten gegeneinander, als sie verzweifelt zu fliehen versuchten.
» Nein!«, schrien Ange und ich gleichzeitig. Ange lief auf das Durcheinander zu, aber ich packte sie am Ellbogen und zerrte sie fort, in Deckung.
Plötzlich kippte der Kopf eines der Polizisten nach hinten. Fetzen von Kopfhaut und Gehirn spritzten auf das Schaufenster des Drugstores. Während der Mann zusammenbrach, zersplitterte das Fenster. Ich schaute mich nach dem Schützen um, der auf die Bullen feuerte. In einem Bambusdickicht einen halben Block hinter uns blitzte ein Mündungsfeuer auf.
Zwei Jumpy-Jumps traten mit erhobenen Gewehren aus dem Bambus. Sie spähten durch ihre Zielfernrohre. Die beiden anderen Polizisten krümmten sich unter Zuckungen, aus ihren bereits blutverschmierten Uniformen quoll frisches Blut, als sie zu Boden stürzten. Die Jumpy-Jumps brauchten nicht lange, um diese neuen Entwicklungen zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Zuhause duschte ich, bevor ich mit Colin und Jeannie die Nachrichten schaute. Wir sahen Hunderte von bewaffneten Jumpy-Jumps in den vom Bambus blockierten Straßen von Chicago, dann einen Panzer, der in San Antonio Aufständische beschoss. Die Dadas machten sich das Durcheinander zunutze, indem sie noch mehr Chaos stifteten.
Doch am meisten erschreckten mich nicht die Bilder, sondern die Stimmen der Reporter. Ihr sonst so ruhiger, gelassener Tonfall war einem schrillen, atemlosen Stammeln gewichen, so als könnten sie jeden Moment ihre Mikrofone hinwerfen und weglaufen.
» Ob Sebastians Nobelpreisträger mit so was gerechnet haben?«, fragte Jeannie.
» So wie Sebastian redet, könnte man meinen, sie hätten alles bis ins Kleinste ausgetüftelt und wüssten schon genau, an welcher Stelle wer tot umfallen wird.«
» Lass mich mal telefonieren«, sagte Jeannie zu Colin, und er reichte ihr das Telefon. Sie rief Ange an und bat sie, Sebastian zu fragen, ob das alles so geplant gewesen sei. » Er sagt, es zieht Energie von den großen Konflikten ab und schwächt die Regierung, und langfristig gesehen sei das gut«, sagte sie dann zu uns gewandt.
Solchen Unsinn hatte ich auch schon von Politikern gehört. Was sie mit ihrer Politik auch anrichten mochten, immer behaupteten sie in ihrer verdrehten Logik, dass letztendlich etwas Gutes dabei herauskäme.
Ich kämpfte um die Entscheidung, auf welche Seite ich mich
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