Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Kopf schlang. Mit letzter Kraft leckte er ihr das Gesicht.
Ich hockte mich hin und untersuchte den Draht. » Nein! Weg! Hau ab!«, schrie ich Ange an.
» Was ist denn mit ihm?«, kreischte Ange.
Sebastian erschien, umfasste Ange mit beiden Armen und zog sie fort. Ihre Füße holperten über die Bordsteinkante und dann über das Gras, während sie strampelnd versuchte, sich loszumachen.
Ich stieß Uzi um. Jaulend vor Schmerz fiel er auf die Seite. Ange rief seinen Namen. Jemand hatte ihm den Bauch rasiert, und an einer Seite verlief eine lange, dilettantisch vernähte Schnittwunde.
» Bombe!«, hörte ich mich selbst rufen. Was sollte ich nur tun? Eigentlich wollte ich möglichst weit weglaufen, aber ich konnte Uzi doch nicht einfach hier liegen lassen, heulend vor Schmerzen.
Ich riss den Schnitt auf, schob die Hand in den Hundekörper und tastete, bis ich etwas Hartes spürte, etwas, das nicht in ein Tier hineingehörte. Auf der anderen Straßenseite schrie Ange und wollte wissen, was ich mit Uzi machte.
Ich zog die Bombe aus dem Hund heraus, sprang auf die Füße und schleuderte sie weg. Der Draht drehte sich im Flug. Dann knallte sie auf die Straße, sprang zweimal hoch und blieb liegen.
Eine Explosion zerriss die Luft, ein Wirbel aus Feuer, Staub und Asphaltbrocken. Ich bekam einen Stoß vor die Brust und taumelte zurück. Es regnete Steine.
Dann nahm ich wahr, dass Sebastian sich über mich beugte und meinen Kopf hielt. » Alles klar?«, fragte er. Mein ganzer Körper tat weh. Ich hob den Kopf und betrachtete mich, denn ich befürchtete, irgendwo ein blutendes Loch zu entdecken. Aber alles sah heil aus. Ich drehte mich nach Ange um.
Sie beugte sich über Uzi. Der Hund machte einen letzten, erfolglosen Versuch, ihr die Hand zu lecken. Dann zuckte er noch einmal und lag still. Ange hielt seinen Kopf und wiegte ihn.
Mit Sebastians Hilfe kam ich wieder auf die Füße und ging zu ihr hinüber.
» Alles in Ordnung?«
Ange packte meine Hand und umklammerte sie. » Nein.« Sie gab Uzi einen Kuss auf die Schnauze, ließ seinen leblosen Kopf sacht auf den Boden gleiten und stand auf. Auf dem Platz hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Ange betrachtete die Leute, die mit ihren weißen Masken in einiger Entfernung stehen geblieben waren.
» Du da!«, rief sie. Ihre Stimme zitterte vor Wut.
Jetzt sah ich ihn auch, unseren Dada-Nachbarn in seiner Briefträger-Uniform. Er grinste, als hätte sein Pferd gerade mit einer Nasenlänge gewonnen.
Ange stürmte auf den Platz, ich hinter ihr her. Sie drängte sich durch die Menge, bis sie vor Rumor stand. » Bist du das gewesen?«, kreischte sie. » Gib’s zu!«
Er zuckte die Achseln. » Wer hat die Haie ins Wasser gesetzt? Schwer zu sagen.«
Ange griff ihn an, zielte mit Klauenhänden auf seine Augen. Doch Rumor packte sie an der Kehle, drehte sie um und warf sie zu Boden. Sie schlug hart auf. Mit der Hand an ihrer Kehle drückte er sie auf die Erde.
Ich stürzte mich auf ihn. Ohne Plan, ohne Idee, wie ich ihn verletzen könnte, ging ich ihm einfach an die Kehle. Aber er schlug nach mir wie nach einer Mücke und versetzte mir einen Schlag gegen die Schläfe, sodass ich Sterne sah.
» Mach mal deine Fäustchen auf«, hörte ich ihn zu Ange sagen, während ich mich auf die Knie hochrappelte. Er ließ ihre Kehle los, und pfeifend strömte wieder Luft in ihre Lungen. Rumor stand auf, wandte uns den Rücken zu. » Du wirst nicht lange in dieser Welt leben, kleine Schnecke«, sagte er über die Schulter.
Ange setzte sich mühsam auf, und ich kroch zu ihr hinüber. Sie stieß einen Wutschrei aus und sprang hoch, um sich erneut auf Rumor zu stürzen, aber ich hielt sie fest.
» Der bringt dich um«, sagte ich. » Im Kampf können wir ihn nicht besiegen, nicht mal Cortez würde das schaffen.«
Ich schaute zu Uzi hinüber, der ausgestreckt auf dem Gehweg lag, mit zurückgezogenen Lefzen, als würde er knurren. Wer war in diesem ganzen Chaos unschuldiger gewesen als Uzi?
Ein schreckliches Gefühl der Ohnmacht überkam mich. Früher hätte es Streifenwagen gegeben, die auf dem Platz erschienen wären, ein Gericht, das den Schuldigen verurteilt hätte, und ein Gefängnis, um ihn einzusperren. Aber jetzt hatte derjenige die Macht, der am ehesten bereit und fähig war zu töten.
Hinter Uzi legte ein kleiner Junge farbige Punkte aus. Er lächelte unter seiner Atemmaske und umklammerte mit einer Hand ein Wassergewehr. Die Kinder spielten weiter, egal, welche Tragödie sich
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