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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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Chance, die Kehle durchgeschnitten zu kriegen, gar nicht verkleinern– die schlitzen dich doch auf und reißen dir die Gedärme aus dem Leib und singen gleichzeitig ein Liebeslied für dich.«
    Darüber lachte Sebastian vergnügt. » Du klingst fast selbst wie ein Jumpy-Jump, wenn du so was sagst.«
    Ich musste lächeln. Es war schwer, dem Mann böse zu sein. » Na, und wie ist das so? Mit dem Virus?«
    » Anregend.«
    » Anregend? Und du bist immerzu glücklich und willst niemandem wehtun? Du plauderst sogar nett mit einem Terroristen? Für mich klingt das nach Lobotomie.«
    » Nein, nein.« Sebastian faltete die Hände und hob sie an sein Herz. » Es ist das genaue Gegenteil von Lobotomie. Man wirft einen Blick ins Unendliche. Bloß einen einzigen Blick, aber das reicht. Wenn es mich noch weiter öffnen würde, würde ich wahnsinnig werden– wir sind nicht dazu geschaffen, diese ungeheure Leere zu erfahren.«
    » Ach so, jetzt kapiere ich. Du bist also im Prinzip dauernd auf Acid.« Ich machte ein Peace-Zeichen. » Friede, Liebe, die alles umfassende Einheit.«
    Ein Ultraleicht-Hubschrauber brummte in geringer Höhe über den Platz. Sebastian wartete mit seiner Antwort, bis er fort war. » Ja, so ungefähr stimmt das.«
    » Wie hast du dich angesteckt?«, fragte ich.
    » Freiwillig.«
    » Jetzt verarschst du mich aber. Du hast dich freiwillig mit einer unheilbaren Viruskrankheit infizieren lassen? Warum denn das?«
    Sebastian seufzte. » Bei den Gas-Krawallen in Atlanta haben sie meine Frau und meine Tochter vergewaltigt und ermordet, vor meinen Augen.« Er lächelte matt, so als würde er von einer alten Freundin sprechen, die er vermisste. » Ich wollte mich aufhängen. Was hatte ich da noch zu verlieren?«
    Wie reagiert man auf so eine Enthüllung? » Das tut mir leid.« Mehr fiel mir nicht ein.
    Ein hochgewachsenes, spindeldürres Mädchen eilte mit einem Eimer Wasser vorbei. Sie hielt den Körper schräg, um das Gewicht auszubalancieren.
    » Was hast du in Atlanta gemacht?«, fragte ich Sebastian.
    » Forschung und Entwicklung. Ich bin Virologe.« Er schloss die Augen und hielt das Gesicht in die letzten Sonnenstrahlen. » Ich war der Leiter des Teams, das Doctor Happy entwickelt hat.«
    » Und was machst du dann hier? Warum arbeitest du nicht in Atlanta an neuen tollen Viren?«
    Er zog ein Gesicht, als hätte er in etwas Ungenießbares gebissen. » Ich will doch nicht den ganzen Tag bei künstlichem Licht in einem Kerker aus Beton hocken. Ich möchte mit Menschen zusammen sein, im Sonnenschein.«
    » Also, wenn du Menschen und Sonnenschein suchst, bist du hier richtig.«
    An dem Abend, als die Bambusparty stattfinden sollte, verkleideten Chair und sein Gefolge sich als Obdachlose, das heißt, sie machten sich noch ein bisschen schmutziger, als sie ohnehin schon waren, und schauten noch etwas hoffnungsloser und deprimierter drein als sonst. Sie hatten ein paar Mülltüten dabei, und es sollte so aussehen, als schleppten sie darin ihre Habseligkeiten mit sich herum, doch in Wirklichkeit enthielten die Beutel Bambuswurzeln und Behälter mit grauem Wasser, die in alte Klamotten eingewickelt waren.
    Überall zirpten die Grillen, als Ange, Cortez und ich den Martin-Luther-King-Boulevard überquerten und die Auffahrt zur Schnellstraße entlanggingen. Gelegentlich rumpelten Autos vorbei, aber die Fahrer beachteten uns nicht. Es war schön, unsichtbar zu sein. Ich überlegte, ob ich vielleicht immer einen gefüllten Müllbeutel mit mir herumtragen sollte.
    » Habt ihr euch schon mal dabei ertappt, dass ihr Sebastian beneidet?«, fragte Cortez.
    » Ach du Scheiße, nein«, sagte Ange. » Ich bin ab und zu total heiß auf einen guten Trip, aber ich will danach auch wieder runterkommen.« Ein leichtes Lüftchen wehte, sodass es heute Abend fast erträglich war.
    » Aber dann würde dich nie wieder etwas belasten. Klingt das denn nicht irgendwie verführerisch?«
    » Virus-induzierte Sorglosigkeit«, sagte ich. » Die kleinen Biester machen etwas mit seinem Gehirn.« Wir erreichten die Interstate 16 und stapften ein Stück von der Fahrbahn entfernt durchs Unkraut.
    » Ja. Ich würde mir das selbst niemals antun, aber trotzdem, manchmal beneide ich den Kerl um seinen Seelenfrieden«, erklärte Cortez, während er rechts und links den Highway entlangschaute. Er ließ seinen Beutel fallen, zog eine kleine Schaufel heraus und grub an einer nicht bewachsenen Stelle ein Loch. Ange steckte eine Bambuswurzel hinein und füllte

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