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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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angestellt haben?
    Ange war mir vermutlich am nächsten. Ich fragte mich, was sie vorhatte. Wir hatten uns nie offiziell » getrennt«, wenn dieser Begriff bei unserem Arrangement überhaupt sinnvoll war, aber inzwischen verbrachte sie so viel Zeit mit ihren Mitbewohnern, dass ich sie kaum noch zu Gesicht bekam. Vielleicht war sie mit einem anderen zusammen– möglicherweise mit Rami. Sie verbrachten anscheinend besonders viel Zeit miteinander.
    Als ich an Jittery Joes Café vorbeikam, verlangsamte ich meinen Schritt, in der etwas unsinnigen Hoffnung, eine Tasse Kaffee zu ergattern. Doch das Schild » Heute kein Kaffee« hing immer noch draußen, wie schon seit drei Wochen. Außerdem hing jetzt ein neues, kleineres Schild darunter: » Keine Milch«. Also ging ich ohne Koffein weiter zu meinem Speed-Dating-Termin.
    In der Menge entdeckte ich ein Paar sexy Beine, die auf mich zuspazierten. Doch als ich das Gesicht der Frau sah, schreckte ich zusammen. Sie hatte das fleischfressende Virus überlebt. Eine Seite ihres Gesichts war eingefallen, und die Narben zogen sich an ihrem Hals hinunter und verschwanden in ihrer Seidenbluse. Ich gab mir krampfhafte Mühe, weiter zu lächeln, als sie zu mir herüberschaute. Arme Frau.
    Auf der Gaston Street war gerade der Bambus ausgebrochen, und ich blieb stehen und schaute zu. Rings um die befallene Stelle rissen Straßendoktoren mit Presslufthämmern die Fahrbahn auf und ließen in aller Eile Rhizombarrieren in den Boden ein, um die weitere Ausbreitung des Bambus zu verhindern. Am Rand standen vier Zivilschutzleute mit Hitzegewehren, zusammen mit einem halben Dutzend dieser kleinen mechanischen Leibwächter-Ratten– so als könnten die Jumpy-Jumps versuchen, ihre kleine Straßenrettungsaktion zu stören. Dabei war der Bambus echten Terroristen scheißegal.
    Ich klopfte auf meine Hüfttasche, um mich zu vergewissern, dass meine Faltmaske darin war, genauso, wie der Cartoon der Regierung es uns lehrte.
    » Ausweis?«, brüllte ein Mann im Kampfanzug mich an, als ich die Tore erreichte, die in den reichen Teil der Stadt führten. Nicht weit entfernt lag eine Leiche, halb auf der Straße, halb auf dem Bürgersteig. Ein Fuß war merkwürdig verdreht. Die Fahrzeuge fuhren einen Bogen um den Toten herum.
    Ich blieb stehen, während der Mann mit seinem kleinen silbernen Scanner meine Augen überprüfte. Als das Ding piepte, schaute er auf das Display, das an seinem breiten Gürtel hing.
    » Okay.« Er winkte mich durch. Ich wusste nicht genau, welche Kriterien mir eigentlich Zutritt zum Stadtteil Southside verschafften. Dass ich kein Verbrechen begangen hatte? Dass ich auf keiner Überwachungsliste der Regierung stand? Dass ich einen Job hatte?
    Nachdem ich die SpeedMatch-Filiale am Victory Drive erreicht hatte, trödelte ich noch ein bisschen draußen herum. Ich tat so, als würde ich mir auf einer Bank den Schuh zubinden, und erst als niemand hinsah, huschte ich durch die Drehtür. Ich kam mir wie ein absoluter Loser vor, weil ich zum Speed-Dating ging– ungefähr so wie damals als Achtzehnjähriger, wenn ich mich in Sexshops schlich. Es war Jahre her, dass ich eine Partnervermittlung in Anspruch genommen hatte, und ich konnte es mir eigentlich gar nicht leisten, aber weil ich in einem schäbigen Stadtviertel wohnte, war es die einzige Möglichkeit, eine intelligente, gebildete Frau kennenzulernen.
    Es war erniedrigend, mit fünfunddreißig Jahren wieder von vorn anzufangen. Wie vielen Frauen würde ich noch alle meine Geschichten erzählen müssen? Meine witzigsten Anekdoten, welche Musik ich mochte und woher die Narbe über meinem Auge stammte. Drei Frauen vielleicht? Oder noch elf Frauen? Allen anderen schien es zu gelingen, lange vor ihrem fünfunddreißigsten Lebensjahr eine Frau zu finden. Dass diese Beziehungen nicht immer hielten, fand ich dabei nebensächlich.
    » Ich habe einen Termin um zehn«, sagte ich zu der Empfangsdame. Die Frau hatte ihr Make-up viel zu dick aufgetragen, offenbar war sie noch zu jung, um zu wissen, dass weniger manchmal mehr ist.
    Sie führte mich in meine Kabine, zeigte mir, wie ich meine wichtigsten Daten und das Bio-Video von meinem Speicherstick herunterladen konnte, half mir, die VR -Geräte anzulegen und schloss dann die Tür hinter sich. Meine Hände waren schweißnass.
    Die VR -Landschaft war ein Klischee, aber eindrucksvoll: Ich saß in einem weinroten Lesesessel auf einer Terrasse, mitten in einem schön angelegten Garten. Links von mir

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