Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Menschen aus dem Grüppchen der Verdammten zogen, bis Mr. Swift dran war.
» Das ist Tyrannei!«, rief er, während sie ihn vor die Statue zogen. Er kriegte eine Ladung Gas ins Gesicht.
Der arme Mr. Swift. Er war durch und durch ein guter Mensch gewesen. Die Wölfe lauerten ständig vor der Tür– ja, das war die Wahrheit.
In schwärzester Stimmung löste ich mich aus der Menge. War ich wirklich gerade bei einer Partnervermittlung gewesen? Wie konnte es solche Agenturen noch geben, wenn Menschen auf offener Straße ermordet wurden?
Wieder überfiel mich die gleiche Hoffnungslosigkeit, die ich in meiner Kabine empfunden hatte, diesmal mit solcher Macht, dass ich auf die Bordsteinkante sank und eine Hand auf den heißen, schmutzigen Gehweg presste, um mich abzustützen. War das das Ende? Gab es keinen Lichtblick, hielt die Zukunft nur noch Hitze und Langeweile, Viren und Bambus für uns bereit? Nur noch immer mehr davon, bis irgendwann alles vollständig zusammenbrach? Was konnte ich tun? Ich zwang mich, wieder aufzustehen, und trottete weiter.
Als ich einer Gruppe schlafender Obdachloser auswich, die sich aus einem Gässchen heraus bis auf den Bürgersteig ausgebreitet hatten, trat ich unabsichtlich gegen einen mageren, blau geäderten Knöchel.
» Tschuldigung«, sagte ich. Mein Opfer antwortete nicht, sondern zog einfach den Fuß unter die schwarze Plastikplane, die sein Zuhause war.
Ich ging am Café vorbei, dann am Buchladen » Eselsohr«.
Doch plötzlich blieb ich stehen und kehrte zum Buchladen zurück. Im Schaufenster lagen vor allem Anleitungen für Gärtner und Heimwerker sowie Kochbücher, aber auch ein paar andere Werke: Einführung in die Existenzphilosophie. Die Rückkehr des Sozialismus. Das Licht des weisen Kriegers.
Vor vielen Jahren hatte Mr. Swift mir geraten, was auch immer ich später machen würde, ich solle jedenfalls das Lesen beibehalten. Auf dem College hatte ich noch gelesen, aber danach mehr oder weniger aufgehört und bloß noch Zeitung gelesen. Ich traf kaum noch Menschen, die sich in Bücher vertieften. Vielleicht sollte ich wieder lesen, im Gedenken an Mr. Swift.
Der Buchladen war geschlossen– für immer, wie es aussah. Ich bog um die Ecke in das Seitengässchen, stieg über Menschen hinweg, die die Tageshitze verschliefen, und kletterte durch ein zerbrochenes Toilettenfenster von hinten in das Gebäude hinein. Der kleine Raum war mehr als widerlich, und die Toilette sah aus, als sei sie noch hundertmal benutzt worden, nachdem man das Wasser abgestellt hatte.
Ich hastete in den Verkaufsraum, zog die Jalousien an einem Seitenfenster hoch und hielt Bücher in das hereinströmende Sonnenlicht, um die Titel zu lesen. Viele Bücher lagen in verstaubten Haufen auf dem Fußboden, aber sie waren immer noch einigermaßen sortiert. Nach was ich eigentlich suchte, wusste ich nicht. Ich wollte einfach etwas tun, um Mr. Swifts Stimme aus meinem Kopf zu verscheuchen.
Als meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, betrachtete ich das Ladeninnere. An der Decke verliefen rohe Balken und dicke Rohre. Leitungen. Kaum zu fassen, dass sie früher einmal Trinkwasser enthalten hatten.
Bücher erinnerten mich an Ange. Während ihres Studiums hatte sie immer ein Buch in der Hand gehabt. Ich wühlte mich durch die Anthropologie-Abteilung, schob viele zur Seite und stapelte einige neben mir auf.
Dann fand ich ein Werk mit dem Titel: Heilpflanzen in Nordamerika. Ein Bestimmungsbuch. Ich blätterte ein wenig darin herum. Die Namen der Kräuter waren fett gedruckt: Echinacea, Goldsiegelwurzel, Eukalyptus, Mutterkraut. Hinten im Buch waren die Pflanzen und ihre medizinische Verwendung aufgelistet. Einige linderten Schmerzen, andere halfen gegen Entzündungen oder eine vergrößerte Prostata. Ruplu bekam keine Medikamente mehr geliefert, und wir kannten in Savannah niemanden, der welche herstellte. Seit zwei Jahren hatten wir kein Aspirin mehr. Ich fragte mich, ob es derzeit wohl einen Markt für Heilkräuter gab. Vor Urzeiten waren pflanzliche Heilmittel etwas für reiche Yuppies gewesen, aber damals brauchte man auch nur zu Aspirin oder so zu greifen, wenn man Kopfschmerzen hatte.
Als letztes Buch nahm ich mir noch Das Licht des weisen Kriegers aus dem Schaufenster. Mir gefiel die Vorstellung vom » weisen Krieger«. Hinter der Theke fand ich eine Plastiktüte, in die ich meine Schätze hineinpackte, dann machte ich mich wieder auf die Socken.
Als ich in die Jefferson Street einbog,
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