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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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abwarf wie eine alte Haut. Wund und verletzlich blieb ich zurück.
    Mir war, als hätte ich mich in jedem Bereich meines Lebens schon seit hundert Jahren abgequält– um genug Geld zum Leben zu verdienen, um Liebe zu finden und um nicht eines gewaltsamen Todes zu sterben. Bei der Vorstellung, alles könnte einfach immer noch schlimmer werden, brach ich unter der Last dieser Anstrengungen schier zusammen.
    Als das Auswahl-Bild aufleuchtete, erschrak ich. Lange Zeit starrte ich einfach auf die kleinen Fotos der Frauen, die ich gerade kennengelernt hatte. Dann begann ich, sie anzutippen. Ich schaute mir keine Bio-Videos mehr an, sondern tippte einfach auf die Frauen, mit denen ich mich gern treffen wollte. Danielle, die italienische Glücksmaschine; Savita, die indische Prinzessin; und noch vier oder fünf andere.
    Bei der Frau im Rollstuhl zögerte ich.
    Ich schniefte, wischte mir die Nase am Ärmel ab und betrachtete ihr lächelndes Gesicht.
    Etwas verband mich mit ihr. Sie war meine Meisterin, meine Sensei– sie hatte mir einen Schlag mit dem Stock versetzt, und ich war erwacht und hatte die Wahrheit erkannt. Ich tippte ihr Foto an. Warum denn nicht.
    Dann kam ich zu Deirdres Profil.
    Ich tippte es nicht an, und meine neurotischen Deirdre-Gedanken spulten sich nicht ab. Ich spürte nur eine warme Traurigkeit– das war alles.
    Irgendwo hatte ich gelesen, dass die Beweggründe, warum wir uns auf bestimmte Partner einlassen, tief in unserer jeweiligen Lebensgeschichte verborgen sind, und dass wir immer wieder dieselben falschen Entscheidungen treffen, solange wir nicht verstehen, warum.
    Während ich auf dem Heimweg war, gingen plötzlich die Alarmsirenen des Zivilschutzes los. Ich zog meine Gasmaske hervor und band sie mir mit einer einzigen raschen Bewegung vor Nase und Mund, wie ein Revolverheld, der blitzschnell die Pistole zieht. Alle rannten in ihre Häuser. Mit den Masken in verschiedensten Farben und Formen und den angespannten, nach vorn gezogenen Schultern sahen die Leute wie merkwürdige Schimpansen aus.
    Sechs Jungen in ziegelroten Tarnanzügen rannten vorbei. Sie trugen kurze, kompakte Waffen, die sie wie Lunchpakete umklammerten. Ich ging ihnen aus dem Weg. Scheiße, die Rekruten wurden immer jünger. Ich hatte keine Ahnung, für wen sie arbeiteten– für die Polizei, den Zivilschutz, die Jumpy-Jumps oder die Feuerwehr. Doch inzwischen bestand da kein großer Unterschied mehr, es waren durchweg Banden, die um die Macht kämpften.
    Ich ging weiter und genoss dabei die Sonne auf meinem Gesicht und den leichten Nachmittagswind. Ich bemerkte, dass meine Stimmung sich verändert hatte. Jetzt fühlte ich mich unbeschwert und leer, und ich atmete tief durch. Dann holte ich mein Handy aus der einen Tasche und den Ausdruck mit den Telefonnummern meiner Dating-Partnerinnen aus der anderen.
    » Das ging aber schnell«, sagte Maya.
    » Ich glaube, mit dem Rollstuhl komme ich nicht klar. Da will ich ganz ehrlich sein, und ich hoffe, dass es dich nicht verletzt«, sagte ich. Im Hintergrund heulten die Sirenen weiter.
    » Okay. Rufst du an, um mir das zu sagen?«
    » Ich möchte einfach deine Zeit nicht verschwenden. Ich möchte niemanden kränken. Ich–«
    Ich wollte ihr sagen, dass die Welt vergänglich und schön war. Ich wollte ihr erzählen, dass die weißen Windmühlen auf den Dächern der abgasgeschwärzten Gebäude sich im gleichen Rhythmus drehten und dass es auf geheimnisvolle Weise ihr Verdienst war, dass ich das wahrnahm.
    » Ich möchte dich bitten, dich ab und zu mit mir zu treffen. Wenn du mir Zeit schenkst, ein bisschen von deiner kostbaren Zeit, werde ich sie nicht vergeuden.«
    Maya antwortete nicht. Ich hörte ein Schniefen und vermutete, dass sie weinte.
    » Das kann ich ganz gut– einfach im Hier und Jetzt sein«, fügte ich hinzu.
    Ich hatte richtig gehört, sie weinte. Jetzt klang es, als würde sie sich die Nase putzen. Doch dann wurde mir klar, dass sie das gar nicht konnte.
    » Ich glaube, das möchte ich nicht«, sagte sie.
    » Das ist in Ordnung.« Ich war gleichzeitig enttäuscht und erleichtert.
    » Ich suche jemanden, auf den ich zählen kann. Von unverbindlichen Bekanntschaften habe ich für mein Leben lang genug.«
    Das ging mir genauso. Es lag am Rollstuhl. Eigentlich war es dumm von mir, dass ich eine Frau so schnell abwies, nur weil sie im Rollstuhl saß. Ich hatte noch nie eine behinderte Freundin gehabt, woher sollte ich denn wissen, dass ich damit nicht umgehen konnte?
    Aber

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