Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
heraus. » Ich kann das nicht, ich kann das nicht.«
» Wie tief ist der Schnitt? Was sehen Sie in der Wunde?«, fragte der Arzt ganz ruhig, weit fort in seinem behaglichen, klimatisierten Büro.
» Ich weiß nicht.« Widerstrebend zog ich mit Daumen und Zeigefinger die Haut auseinander, um zu sehen, wie tief ich geschnitten hatte. » Da ist nur rotes Gewebe, was anderes kann ich nicht sehen.«
» Dann sind Sie noch in der Muskelschicht. Sie müssen noch mal schneiden, tiefer.«
» Oh Gott. Nein.« Jetzt liefen auch mir die Tränen über die Wangen. Ich zitterte am ganzen Körper, als wäre mir eiskalt.
Du nervst, sagte Tara Cohns Stimme in meinem Kopf. Ich schluchzte.
» Los, schneiden Sie, verdammt noch mal. Jetzt!«, brüllte der Arzt.
Ich fing an zu schreien und schrie immer weiter, während ich den Schnitt verlängerte und vertiefte. Bird versuchte, mit Armen und Beinen um sich zu schlagen, aber mit dem Blut schien sie auch ihren Kampfgeist zu verlieren. Sie war anscheinend nur noch halb bei Bewusstsein, von ihren Augen war nur das Weiße zu sehen.
» Was sehen Sie?«, fragte der Arzt.
Als ich das Fleisch rechts und links von dem vergrößerten Schnitt ein wenig auseinanderzog, legte ich etwas Graues, Wulstiges frei, wie eine dicke, gewundene Schlange. Es war ein Organ. Vielleicht Birds Leber oder ihre Gallenblase oder so. Ich beschrieb es dem Arzt.
» Gut gemacht, Jasper, das wollen wir haben. Das ist der Dickdarm. Tasten Sie jetzt daran entlang, wir brauchen das Ende, wo der Dünndarm ansetzt. Wir suchen einen kleinen, röhrenförmigen Fortsatz am Dickdarm, sieht aus wie ein Wurm.«
Ich bohrte mit dem Finger in Bird herum und bemühte mich dabei, das quatschende Geräusch zu überhören und das Blut zu übersehen, das seitlich an ihr herunterlief. Es tropfte auf die vertrockneten bräunlichen Bambusblätter, die auf dem Boden verstreut lagen.
» Ich kann ihn nicht finden«, sagte ich.
» Jetzt gehen Sie verdammt noch mal mit der Hand da rein und verschieben Sie den Dickdarm. Das ist doch hier kein Gesellschaftsspiel! Machen Sie sich die Hände blutig!«
Ich grub, schob die Finger zwischen glitschige Schläuche, drückte einen Darmabschnitt hoch. Dahinter lag etwas, das wie eine aufgequollene Made aussah. Ich beschrieb es Doktor Gabow.
» Abschneiden und weg damit, Jasper.«
Ich schnitt den Wurmfortsatz ab. Sandra nähte das Loch im Darm zu, während ich das Messer im Feuer erhitzte. Dann drückte ich die flache Klinge auf die Wunde, um sie zu kauterisieren und die Blutung zu stillen. Bird zuckte nicht einmal, als das Messer an ihren Gedärmen zischte. Sie war längst ohnmächtig geworden. Sandra drückte die Wundränder zusammen, während ich nähte. Doktor Gabow erklärte, jemand müsse in die nächste Stadt gehen und Antibiotika kaufen, sonst würde Bird höchstwahrscheinlich an einer Infektion sterben und all seine gute Arbeit wäre umsonst gewesen.
Die anderen klopften mir auf den Rücken, als ich vom Lagerplatz wegtorkelte. Ich fand ein stilles kleines Bambuswäldchen und ließ mich auf den Rücken fallen. Durch die schmalen Blätter starrte ich zum Halbmond hinauf. Ich fühlte mich… seltsam. Als wäre zum ersten Mal seit Jahren ein Brummen in meinem Gehirn abgestellt worden. Ich hielt mir die Hand vors Gesicht und betrachtete das Blut, das allmählich gerann und antrocknete. Ich hatte es geschafft.
Ich schloss die Augen und überließ mich dem Schlaf. Bevor ich wegdriftete, dachte ich noch, dass ich jetzt von der Einfachheit des Jäger-Sammler-Daseins genug hatte. Ich wollte nach Hause.
Ein Hauch von Jasmin lag in der Luft, als ich an einem Fußgängerüberweg wartete, bis ein Trupp Radfahrer vorbeigestrampelt war. Sie trugen Helme mit integrierten Gasmasken, und an ihren Gürteln hingen halb automatische Pistolen.
Auf der anderen Straßenseite stand auf einer zerfledderten blaugrünen Markise: Francis McNairy Antiques and Collectibles. Ja, genau. Ich tausche mein neuwertiges Spider-Man 1 gegen dein kaum benutztes Fläschchen Parfum, was hältst du davon?
Einen Block weiter sah ich unser Haus. Die Veranda wirkte so einladend auf meine schmerzenden Füße. Ich senkte den Kopf und legte die letzten paar Meter meiner Wanderung zurück. Dann ließ ich mich auf der Veranda in einen Sessel fallen.
Fast sofort wurde die Fliegengittertür aufgestoßen. » Wie war dein Ausflug?«, fragte Colin. Er klappte einen angeschimmelten Gartenstuhl auf und setzte sich zu mir.
» Mann, ich kann dir
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