Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
den Wissenschaftler in Atlanta?«, erkundigte ich mich. » Kennt ihr einen Mann namens Sebastian?«
Carl wirkte überrascht. » Dann weißt du also Bescheid?«
Ich lächelte breit. » Ich war bei der allerersten Pflanzaktion dabei.«
Eine Weile saßen wir einfach da und lächelten uns an. Auch das lernte ich gerade: Meinen neuen Bekannten machte es nichts aus, einfach zu schweigen. Lange Gesprächspausen waren nichts Ungewöhnliches.
» Ihr wandert also nicht ziellos herum?«, fragte ich schließlich.
» Wir ziehen nach Norden«, sagte der kräftige Mann. » Um da oben ein bisschen Sand ins Getriebe zu streuen.«
Mit einer neu gezüchteten Bambussorte, die weiter nördlich gut gedieh, wollten sie die Highways und die Flughäfen lahmlegen und die Verbreitung der großen Marken noch weiter zum Erliegen bringen. Oder uns womöglich ganz in die Steinzeit zurückbefördern. Mir war immer noch nicht klar, ob das wirklich so eine gute Sache war. Schließlich konnte ich ja nicht wissen, wie die Welt jetzt aussehen würde ohne den Bambus, ohne Doctor Happy und ohne die ganzen anderen von Menschenhand geschaffenen Plagen, von denen ich nicht einmal etwas wusste.
Nach einer Woche hatte ich keine Ahnung mehr, wo wir uns befanden. Wir hatten eine Anhöhe bestiegen, die in South Georgia schon als Berg zählte, und so weit das Auge reichte, war nichts zu sehen als Bambus, der ab und zu von kahlen sandigen Stellen oder einem Grüppchen struppiger Kiefern unterbrochen wurde. Die Sippe würde Monate brauchen, um sich in den Norden durchzuschlagen, aber sie schienen keine Eile zu haben. Ich war verdreckt und durstig und langweilte mich. Sandmücken summten um mein Gesicht herum und ließen sich erbarmungslos in meinen Ohren und Augenwinkeln nieder. Nein, bis in den Norden wollte ich nicht mitwandern, aber nach Hause wollte ich auch noch nicht. Vielleicht leistete ich Buße für das, was ich getan hatte, oder vielleicht wollte ich Ange bloß beweisen, dass sie sich irrte und ich länger Tarzan spielen konnte, als sie dachte. Ich drehte mich um und wartete auf Bird. Sie schleppte sich dahin, schwitzte noch stärker als ich und hatte den Mund verzogen, so als sei sie verwirrt. Normalerweise war sie diejenige, die mich antrieb.
» Alles klar?«, fragte ich.
» Ich hab was Falsches gegessen. Muss kacken.« Bird zog ihre Lumpen herunter und hockte sich einfach hin. Allmählich gewöhnte ich mich daran. Ich drehte mich um und sorgte für eine respektvolle Distanz zwischen uns. Drei Männer schlenderten an der Hockenden vorbei und grüßten sie mit einem Hallo. Ihr Gesicht war rot vor Anstrengung.
Plötzlich drehte sie den Kopf zur Seite und erbrach sich. Ich rannte zu ihr hin und legte ihr die Hand auf die Schulter. » Du bist richtig krank«, sagte ich und fühlte mit der anderen Hand ihre Stirn. Selbst an diesem heißen Tag spürte ich deutlich, dass sie Fieber hatte. » Mist, das ist was Ernstes.« Automatisch wollte ich nach meiner Maske greifen, um sie mir schnell über Mund und Nase zu ziehen, aber ich hatte sie schon vor Tagen weggepackt. Wenn Bird sich irgendeinen Designer-Virus eingefangen hatte, war es ohnehin zu spät. Ich dachte an die Frau im Auto mit der riesengroß aufgequollenen Zunge, und mir wurde übel. » Hey, sie ist krank«, rief ich hinter den Männern her, die gerade im Bambus verschwanden. » Sagt den anderen, sie sollen haltmachen.«
Die Männer gaben meinen Ruf weiter, und ich hörte zu, wie er sich fortpflanzte.
» Ich habe etwas, das gegen die Übelkeit hilft.« Ich legte Bird die Arme um die Taille und half ihr, sich auf den Boden zu legen. Sie schrie auf vor Schmerz, als hätte ich ihr einen Pfeil in den Leib gestochen, und griff sich an den Bauch. Rechts unten.
Blinddarm. Ihre Geste war eindeutig. Aber ich hatte in meinen Westentaschen nichts, was gegen eine Blinddarmentzündung helfen konnte.
Nach und nach versammelte sich die Sippe um uns herum.
» Wir brauchen einen Arzt! Bird hat eine Blinddarmentzündung.« Ich war nie auf die Idee gekommen, mir mal zu überlegen, was eigentlich passieren würde, wenn ich hier draußen stürzte und mir einen Schädelbruch zuzog.
» Hier sind keine Städte in der Nähe. Und keine Ärzte«, bemerkte ein alter Mann, dem die Schneidezähne fehlten.
» Was machen wir denn dann?«, fragte ich. Bird wimmerte vor Schmerzen.
» Da können wir nichts machen«, antwortete Sandra mit einem Achselzucken. » Wir lagern hier, bis Bird wieder laufen kann oder bis sie tot
Weitere Kostenlose Bücher