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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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ist.«
    » Ich will nicht sterben«, stöhnte Bird.
    Ich brauchte fachlichen Rat. Also zog ich mein Handy hervor und wählte die Nummer des Telefondoktors. Eine Stimme vom Anrufbeantworter wies mich an, meine Kreditkartennummer einzutippen. Bei dem Gedanken an die Kosten, die auf mich zukamen, erschrak ich, aber ich gehorchte.
    » Hier spricht Doktor Andrew Gabow. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine klare, ausgeruhte Stimme. Allein dieser Tonfall löste eine tiefe Dankbarkeit in mir aus.
    » Ich habe hier eine Frau, die vermutlich eine Blinddarmentzündung hat. Wir sind weit draußen in der Wildnis, es ist unmöglich, sie in eine Stadt zu bringen. Was soll ich tun?«
    » Beschreiben Sie die Symptome.«
    Ich zählte Birds Symptome auf. Der Arzt fragte nach, wo genau die Schmerzen im Unterbauch lokalisiert waren. Er schien ärgerlich zu sein, weil ich kein Fieberthermometer dabeihatte, um Birds Temperatur exakt zu messen.
    » Wahrscheinlich ist Ihre Diagnose richtig– akuter Blinddarm. Ich will ganz offen sein, Jasper: Die Patientin ist in Lebensgefahr. Ihr könnt sie nicht rechtzeitig aus dem Busch heraustragen, und wenn der Blinddarm platzt, breitet die Infektion sich aus, und das wird sie wahrscheinlich nicht überleben. Jedenfalls nicht da draußen. Wahrscheinlich nicht mal im Krankenhaus.«
    » Was soll ich tun?«, fragte ich.
    » Sie haben nur eine Möglichkeit. Operieren Sie die Frau.«
    » Ich?«
    » Oder wer aus Ihrer Gruppe die meiste Erfahrung auf medizinischem Gebiet hat. Haben Sie eine Krankenschwester dabei? Oder einen Sanitäter? Eine Schwesternhelferin?«
    Ich fragte die Sippe. Allgemeines Kopfschütteln. Die Hälfte konnte wahrscheinlich gar nicht lesen, und die anderen hatten es vermutlich zum größten Teil verlernt.
    » Es muss einen anderen Weg geben«, sagte ich ins Handy. » Wie ist es mit einem Rettungshubschrauber?«
    Der Arzt lachte. » Zahlen Sie bar oder mit Karte?«
    » Oh Gott.« Ich hatte ein Gefühl, als würde ich mich von meinem Körper lösen. Ich hörte zwar, wie meine Stimme » Oh Gott« sagte, aber es klang weit entfernt, als käme es von jemand anders.
    » Machen Sie Feuer«, ordnete Doktor Gabow an. » Ich mache das hier jetzt für hundert Dollar, weil Sie mein normales Honorar nicht bezahlen könnten und weil ich ein netter Mensch bin.«
    » Danke, Herr Doktor«, antwortete ich. » Macht ein Feuer!« Wer war bloß dieser verängstigte kleine Junge, der das gerade gerufen hat?, überlegte ich mit dem kleinen Teil meines Verstandes, der ruhig geblieben war.
    Als das Feuer loderte, erhitzten wir Wasser. Ich tauchte die Hände in den Topf und ließ sie so lange in dem siedend heißen Wasser, wie ich es aushielt. Nach mir war Carla dran– sie würde mir assistieren. Anschließend tauchte Carla ein Messer ins Wasser, hielt es dann über die Flammen und reichte es mir. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich es kaum halten konnte. Die anderen hatten die Kinder außer Hörweite gebracht. Vier Leute hielten Bird an Armen und Beinen fest. Der Arzt schlug vor, wir sollten Bird in einen Bach legen, um sie abzukühlen und um die Blutung zu verringern, aber es gab in der Nähe keinen Bach.
    » Machen Sie den Schnitt nicht zu tief«, wies der Arzt mich an. Ich hatte den Lautsprecher des Handys angeschaltet. » Knapp anderthalb Zentimeter tief und fünf Zentimeter lang. Es wird stark bluten, aber keine Sorge, darum kümmern wir uns später.«
    Die Tränen liefen Bird über die Wangen, als ich das Messer über die Stelle hielt, die wir gewaschen und mit Selbstgebranntem besprenkelt hatten. Das Messer zitterte so heftig, dass es vor meinen Augen verschwamm. Ich hielt es lange über Birds Bauch. Zweimal senkte ich es fast bis auf ihre weiche Haut hinunter, nahm es aber beide Male wieder hoch.
    » Legen Sie den Schnitt an, Jasper«, forderte der Arzt mich auf.
    » Ich kann das nicht«, jammerte ich. » Das muss jemand anders machen, bitte.« Ich war kein Action-Typ. Cortez konnte so was – wenn er hier gewesen wäre, hätte er geschnitten, ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie etwas zerschnitten, das nicht auf meinem Essteller gelegen hatte.
    » Ich will nicht sterben«, wimmerte Bird. » Bitte. Ich will nicht sterben.«
    Ich heulte auf und schnitt in ihren Bauch. Bird schrie vor Schmerzen, wehrte sich heftig und versuchte, die Leute abzuschütteln, die sie am Boden hielten. Wie ein Tier. Blut quoll in den Schnitt, füllte die Wunde und lief

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