Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
möchte gern mal wissen, ob die Mörder den Präsidenten in seinen Sessel gesetzt haben, weil die Wirkung größer ist, oder ob er so gestorben ist«, sagte Ange.
» Ich wette, sie haben ihn da reingesetzt«, antwortete ich.
Auf CNN wurde immer wieder das Video abgespielt, das den Präsidenten im Oval Office hinter seinem Schreibtisch zeigte. Sein Kopf war zurückgefallen, und die Zunge hing ihm dick und schwarz aus dem Mund, so als wäre er bei dem Versuch, einen Fahrradschlauch zu verschlucken, erstickt. Er war Republikaner gewesen, und sein Vizepräsident Demokrat. Alle hatten gedacht, dadurch würde sich etwas ändern. Der andere Mann auf dem Video, das immer wieder gezeigt wurde, war weder Republikaner noch Demokrat, aber er behauptete, er sei nun an der Macht. Oder nicht an der Macht? Er war schwer zu verstehen, weil er schnell sprach und viel Jumpy-Jump-Slang benutzte. Die Nachrichtensprecher waren sich nicht sicher, ob überhaupt jemand an der Macht war. Sie wirkten verängstigt. Auf Washingtons Straßen ging es zu wie in einem Tollhaus, und in einigen anderen Großstädten sah es offenbar ganz ähnlich aus.
Es war unklar, ob die Teams das Spiel beenden würden. Trainer und Schiedsrichter standen mit verschränkten Armen neben der Coach’s Box an der ersten Base und unterhielten sich.
Über der Umzäunung auf der linken Seite des Spielfeldes flammte ein Blitz auf. Ein lauter Knall folgte. Die Menschen auf den Tribünen sprangen schreiend auf. Die Baseballspieler rannten zu den Kabinen, drehten sich im Laufen aber immer wieder nach der Explosion um, die etwa dreißig Blocks entfernt stattgefunden haben musste. Am Himmel breiteten sich Streifen in allen Regenbogenfarben aus.
Ich schaute Ange an. » Scheiße«, sagte sie.
Das konnte alles sein, von einer Explosion chemischer, biologischer oder radioaktiver Substanzen bis hin zu einem Unfall in einer Fabrik für Malkreiden.
Wir warteten ab, bis der größte Teil der Zuschauer das Stadion verlassen hatte, denn in der panischen Menge konnten wir genauso leicht umkommen wie durch chemische Waffen. Dann flohen auch wir.
In den Straßen hörten wir Glas splittern und lautes Geschrei, was allerdings nichts Ungewöhnliches war. Doch noch etwas anderes erfüllte die Luft– ein Dröhnen, das ich tief im Bauch spürte, so als würden Trommeln geschlagen. Weit entferntes Mörserfeuer oder vielleicht auch Panzer. In der Nähe hörten wir Schüsse krachen, was ebenfalls nicht ungewöhnlich war, nur dass es mehr waren als sonst.
Aus der Richtung der Waters Avenue kamen Schreie, die den Lärm übertönten. Anges Handy klingelte.
» Bei euch alles klar?«, fragte sie. Ich konnte Colins Stimme hören. » Scheiße«, sagte Ange und wandte sich mir zu. » Euer Haus brennt.«
Ich rannte los.
» Warte.« Sie packte mich am Ärmel und hielt mich zurück. » Alles gut, sie sind draußen, in Sicherheit.«
» Und Jeannie?«
» Jeannie auch. Mit Baby im Bauch.«
» Wo sind sie denn?« Ich war erleichtert, dass Jeannie ihr Kind nicht verloren hatte. Ohne jede ärztliche Betreuung war ihre Schwangerschaft eine heikle Sache.
» Vor eurem Haus. Da treffen wir uns.«
Aus dem mit Brettern vernagelten Fenster eines Gebäudes, an dem wir vorbeiliefen, leckten rote Flammen. In der Ferne heulte eine Sirene. Es war nicht das Wah-Wah eines Krankenwagens, und die Polizei setzte keine Sirenen mehr ein – sie wollte nicht, dass man sie kommen hörte.
» Ich habe schon die Feuerwehr gerufen«, sagte ein alter Mann, der auf dem Bürgersteig stand.
» Sie haben die Feuerwehr gerufen?«, fragte ich ungläubig.
» Die sind schon unterwegs.« Violette Adern überzogen Nase und Wangen des Alten. Wahrscheinlich war er Trinker, schlürfte in langen einsamen Nächten in seiner Wohnung Schwarzgebrannten und guckte sich dabei alte Fernsehfilme an, in denen Polizisten Verbrechen aufklärten und Feuerwehrleute in brennende Gebäude stürmten, um weinende Babys zu retten.
Wir rannten wieder los. » Die helfen Ihnen doch nicht! Hauen Sie lieber ab, solange Sie das noch können!«, rief ich zu ihm zurück.
Überall knatterte Gewehrfeuer, krachten Explosionen. Was war bloß passiert?
Ein sonores Hupen kündigte den roten Feuerwehrwagen an, dann kam er um die Ecke gerast. Er war voll besetzt mit Männern, die sich die Gesichter rot bemalt und ihre Helme mit Bildern verziert hatten. Der Wagen war tadellos gepflegt, die polierten Chromteile blendeten im Sonnenlicht.
Wir bogen in ein Gässchen ein,
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