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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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in dem sich Obdachlose drängten. Nervös liefen sie umher, als wollten sie abhauen, wüssten aber nicht, in welche Richtung. Ich dachte an unsere brennende Wohnung mit meinem gesamten Besitz darin. Zwar hatte ich nicht viel zu verlieren, aber wenn man kaum etwas besitzt, tut der Verlust besonders weh.
    Ununterbrochen krachten Schüsse. Viele Menschen waren auf den Straßen und rannten in alle Richtungen. Direkt über uns, nur knapp über den Dächern, lärmte ein Hubschrauber. Im Osten, wo die Explosion stattgefunden hatte, glühte der Himmel rot– es sah aus, als stünde dort alles in Flammen.
    Wir kamen auf der Drayton Street heraus. Ein Trupp Zivilschutzleute mit Maschinenpistolen bog um die Ecke und bewegte sich in unsere Richtung. Wir drückten uns in einen Eingang und starrten auf die Backsteine des Gehwegs, bis die Männer vorbei waren. Ich hatte keine Ahnung, was hier gespielt wurde, wofür wir erschossen werden konnten und wer vielleicht schießen würde. Ich versuchte zu begreifen, was vor sich ging, wollte den Ereignissen einen Namen geben. Ja, es war Krieg, die Stadt befand sich im Kriegszustand– so viel war klar. Aber in Kriegen kämpfen normalerweise zwei Parteien gegeneinander, und hier gab es zwanzig Parteien oder fünfzig oder vielleicht auch gar keine.
    Wir liefen wieder durch ein Gässchen, an Leuten vorbei, die sich hinter einem grünen Müllcontainer versteckten. Andere schauten aus geöffneten Fenstern auf uns herunter, aus der Sicherheit ihrer abgeschlossenen Wohnungen. Auf den Dächern darüber liefen in kleinen Grüppchen Jungen mit Schusswaffen herum.
    Wieder klingelte Anges Handy. » Wo seid ihr?«, fragte sie und steckte sich einen Finger in ihr freies Ohr.
    » Das ist Sebastian«, sagte sie dann zu mir. » Er sagt, wir müssen raus.«
    » Aus der Stadt?«
    Sie nickte.
    » Aber Jeannie ist im achten Monat!«
    Sebastian sagte etwas, aber Ange hob den Zeigefinger. » Okay, bis gleich.« Sie legte auf.
    » Er sagt, es gibt keine andere Möglichkeit, es wird richtig schlimm.«
    Ich dachte daran, was die Wirtschaftswissenschaftlerin im Rollstuhl mir vor drei Jahren während unseres Speed-Datings gesagt hatte: » Es geht nur immer noch weiter abwärts, und dann wird alles völlig zusammenbrechen.«
    Sebastian wollte den Bahngleisen aus der Stadt hinaus folgen. Es war vernünftig, den Straßen fernzubleiben, aber beim Gedanken an Bahnschienen wurde mir schlecht, denn ich fühlte mich an unsere Nomadenzeit erinnert.
    In einer Wohnung über uns kreischte eine Frau auf, dann schrie sie noch einmal, als rufe sie ein Wort. Als sie zum dritten Mal schrie, war klar, dass sie um Hilfe rief.
    Ange telefonierte noch einmal mit Jeannie und sagte, sie sollten sich in unsere Richtung auf den Weg machen.
    » Ich muss Ruplu warnen«, fiel mir ein. Wir machten den kleinen Umweg über die Abercorn Street. Als wir um die Ecke bogen, lag ein Inferno vor uns. Über dem Dach des Mini-Marktes loderten die Flammen. Ruplu war nirgends zu sehen, also rief ich ihn an.
    » Alles kaputt, Jasper«, sagte er. » Alles, was wir uns erarbeitet haben, ist futsch.«
    » Ich weiß. Das tut mir furchtbar leid.« Ich entdeckte Colin und Jeannie ein Stück vor uns und hob die Hand. Sie winkten zurück. » Hör mal, unser Freund, dieser Wissenschaftler, hat gesagt, wir müssten aus der Stadt raus. Es wird hier zu gefährlich.«
    Ein langes Schweigen am anderen Ende. » Wirklich?«
    » Doch, ganz bestimmt. Dieser Mann hat Freunde in Atlanta. Sie sagen, dass es ganz schrecklich wird.«
    » Also gut. Danke, mein Freund.«
    Ich schlug Ruplu vor, mit seiner Familie zu uns zu stoßen, aber er sagte, sein Onkel habe ein kleines Boot, und wenn sie wirklich weg müssten, würden sie an der Küste entlang zu Verwandten in Saint Augustine fahren. Der Plan klang vernünftig.
    Wir begrüßten Colin und Jeannie und gingen gemeinsam weiter in Richtung Thirty-Eighth Street.
    Mein Handy klingelte. Die Nummer kam mir bekannt vor, aber ich konnte kein Gesicht damit verbinden. Ich ging dran, war aber so außer Atem, dass ich, statt Hallo zu sagen, nur keuchte.
    » Ich brauche dich«, sagte Deirdre. Sie weinte. Vor lauter Schreck kribbelten mir die Hoden.
    » Geht nicht«, japste ich.
    » Was geht nicht?«, rief sie. » Ich weiß nicht, wo ich hin soll. Ich habe niemanden…« Die Stimme versagte ihr vor Weinen. Es war ein wütendes, empörtes Schluchzen.
    » Ich kann dich nicht abholen. Ich bin nicht zu Hause. Wir hauen ab.«
    » Ich komme mit.« Ich

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