Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Sebastian und schlitzte ihm den Oberarm auf. Aber er war schneller als sie und rettete sich die Treppe hinunter. Außer sich vor Wut blieb Deirdre stehen. Cortez und ich waren als Erste bei ihr, hielten aber gehörigen Abstand.
» Was war denn los?«, fragte ich.
» Er hat mich mit einer Nadel gestochen, im Schlaf.« Mit zitternden Fingern betastete Deirdre eine Stelle an ihrem Hals. » Oh Gott, ich glaube, er hat mich mit diesem Scheißvirus infiziert.« Sie schaute an uns vorbei. In ihrem Blick lag eine entsetzliche Angst. Mit einem Aufschrei stürzte sie zur Treppe. Ich drückte mich an eine Zimmertür, um sie vorbeizulassen, aber Cortez hielt die Stellung. Als sie an ihm vorbeilief, packte er Deirdre am Handgelenk und drehte ihr den Arm um. Wie durch Zauberei wurden die Beine unter ihr weggerissen, und ihr Messer fiel auf den Boden. Cortez ließ sich auf die Knie nieder und schlang von hinten die Arme um Deirdre, die sich nach Kräften wehrte. Ich schnappte mir das Messer.
» Ruhig, ganz ruhig«, sagte Cortez, aber Deirdre kreischte weiter. Ihr Geschrei war ohrenbetäubend– es weckte Erinnerungen an ihre Flash-Konzerte auf den Plätzen von Savannah.
Ich ging nach unten, vorbei an den anderen, die die Ursache für Deirdres Wutausbruch ergründen wollten, und schob die Küchentür auf. » Hast du sie infiziert?«, brüllte ich Sebastian an. Er untersuchte gerade seine verletzte Schulter. Von seinem Ellbogen tropfte Blut auf den Fußboden.
» Allerdings.« Er grinste wie ein Irrer, als er zu mir hochschaute. » Ich konnte doch gar nicht anders. Jede Minute ist eine Qual für das arme Mädchen. Verstehst du das nicht? Ich habe ihr Leiden beendet, mit einem einzigen Nadelstich.« Er schnippte mit den Fingern.
» Dazu hattest du kein Recht!«, rief ich. » Du durftest das nicht für sie entscheiden.«
Sebastian zuckte die Achseln. » Aber ich habe es gemacht.« Wieder fielen ein paar Tropfen Blut auf den Fliesenboden. Immer noch lächelnd schnalzte Sebastian mit der Zunge und schüttelte den Kopf. » Mach dir keine Sorgen deswegen. In ein paar Stunden wird sie sich bei mir bedanken.«
» Du gehst am besten spazieren, bis wir sie beruhigt haben.« Ange war hereingekommen. Sebastian nickte, griff nach einem Geschirrtuch und verschwand durch die Hintertür.
» Den bringe ich um!«, schrie Deirdre nebenan. » Ich bringe das Arschloch um. Ich will nicht so sein wie ihr!«
» Nicht gut«, sagte Ange.
» Nein, gar nicht gut.« Wir gingen ins Wohnzimmer. Cortez hielt Deirdre in einem Doppelnelson.
» Hat er sie wirklich infiziert?«, fragte er mich.
Deirdre wurde still und sah mich mit großen Augen an. Als ich nickte, warf sie den Kopf zurück und stieß einen Schrei aus, so voller Angst und Entsetzen, dass ich zurücktaumelte. Cortez lockerte langsam seinen Griff und ließ sie auf den Boden gleiten.
Ich ging nach draußen.
Für einen Märzmorgen war es überraschend kühl. Ein leichter Wind ließ den Bambus rascheln. Jeannie und Ange standen bereits draußen und unterhielten sich leise.
» Sebastian muss weg«, sagte ich.
» Das haben wir auch gerade gesagt«, meine Jeannie. » Sobald er körperlich wieder fit ist, müssen wir ihn wegschicken.«
» Dieser Idiot. Ich glaube, die Doctor-Happy-Leute haben alle einen kleinen Dachschaden.« Ich tippte mir mit dem Zeigefinger an die Schläfe. » Auch wenn das Virus vielleicht glücklich macht, in jedem Fall wird man davon ein bisschen wahnsinnig.«
Ange und Jeannie nickten zustimmend. Drinnen hörten wir Deirdre schluchzen.
» Es ist nicht nett, das so zu sagen, aber wahrscheinlich ist sie mit dem Virus besser dran«, murmelte Ange. » Was nicht heißen soll, dass ich einfach so akzeptieren würde, was Sebastian getan hat.«
Ich lächelte und kickte mit dem Zeh gegen das eiserne Verandageländer. Vielleicht war es so wirklich besser für Deirdre, aber wenn ich daran dachte, was sie gerade durchmachte, wurde mir ganz flau. Es musste ein Horror sein, wenn man wusste, dass dieser Virus im eigenen Hirn herumtobte, die Hirnchemie veränderte, die Persönlichkeit und die ganze Denkweise umkrempelte.
Solange Deirdre sich in diesem Zustand befand, konnten wir unmöglich mit ihr weiterziehen, daher warteten wir ab. Sebastian hielt sich fern, er saß zwei Häuser weiter auf der Veranda, hatte die Füße auf das Geländer gelegt und summte vor sich hin. Manchmal lachte er ohne erkennbaren Grund laut auf.
Ich hielt mich eine Weile in meinem Zimmer auf, einige andere
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