Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Schönste an ihr seien ihre Brüste, und dass Sebastian meinte, er habe perfekte Zehen.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil wir lachten und fröhlich waren, während Deirdre allein in ihrem Zimmer hockte und uns zuhörte. Doch drei von uns– Sebastian, Cortez und ich– pilgerten nacheinander zu ihrer Tür und baten sie, doch zu uns zu kommen. Ihre Antwort war immer die gleiche: Arschloch.
Jean Paul spielte auch nicht mit. Seit er und Sophia zu uns gestoßen waren, hatte er noch kein Wort zu mir gesagt. Er hatte mich nicht mal angesehen. Ich glaube, damals in dem Nachtklub hatte er die Konfrontation mit mir genossen, weil er in seinem Element gewesen war, mit seinen Freunden zusammen. Hier dagegen war er der Außenseiter.
Als » Wahrheit oder Pflicht« langweilig wurde, fing Jeannie an, mit uns zu singen. Mir war nach Mondschein und Einsamkeit, daher schlüpfte ich zur Hintertür hinaus.
Im Pool war kein Wasser, sondern nur Bambus, aber es gab eine Terrasse mit einem Betonboden, der wohl besonders dick gegossen worden war, denn der Bambus hatte ihn nicht durchdringen können. Ich schaute in den Himmel hinauf. Ich liebte den Nachthimmel, denn vom Mond blätterte weder Farbe ab, noch fing er an zu rosten. Auch Unkraut spross keins da oben, und die Sterne erloschen nicht, wenn der Strom ausfiel. Im Gegenteil– sie wurden umso heller, je mehr auf der Erde die Lichter ausgingen, und inzwischen war der Sternenhimmel atemberaubend. Ich konnte die Milchstraße sehen, einen Wirbel aus Silber mit blauen und roten Rändern.
» Ist das nicht schön?«, hauchte Sophia hinter mir.
Ich trank ein Schlückchen Gin. » Es ist das Einzige, was besser wird, während alles andere schlechter wird.«
» Stimmt«, sagte sie und trat neben mich. Im Bambus zirpten die Grillen. Ihr Gesang klang kalt, fast mechanisch.
» Es ist lange her, dass ich dich zum letzten Mal gesehen habe«, sagte ich. » Du bist überhaupt nicht älter geworden, das ist erstaunlich.«
» Danke. Du auch nicht«, sagte sie. Aber ich wusste, dass das eine freundliche Lüge war. Zum Beispiel hatte ich seit unserem letzten Treffen einen unteren Zahn verloren. » Übrigens habe ich dich seitdem ein paarmal gesehen.«
Fragend schaute ich Sophia an.
» Nachdem du wieder nach Savannah gezogen warst, habe ich herausgefunden, wo du wohnst. Ruplus Vater hat es mir gesagt«, erklärte sie. » Und ab und zu bin ich an eurer Wohnung vorbeigefahren und habe nach dir Ausschau gehalten. Ich habe dich ein paarmal gesehen, auf dem Weg zur Arbeit oder mit deinen Freunden.«
» Warum hast du nicht mal Hallo gesagt?«, wollte ich wissen.
» Weil du mich gebeten hattest, mich aus deinem Leben rauszuhalten, und das war ich dir schuldig.« Auf der Terrasse standen vier weiße Plastikstühle um einen Plastiktisch. Sophia zog sich einen heran und setzte sich hin. » Ich hatte keine Gelegenheit, dir zu sagen, wie leid mir das getan hat, was an dem Abend damals in der Bar passiert ist. Am liebsten wäre ich hinter dir hergelaufen, als sie dich rausgeworfen haben. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen.«
Ich lachte leise.
» Warum lachst du?«
» Danach, noch an dem gleichen Abend, haben Jumpy-Jumps mich in eine dunkle Gasse gezogen, und ich habe mit angesehen, wie sie ein halbes Dutzend Leute ermordet haben. Sie haben mir ein Gasgewehr ins Gesicht gehalten. Ich glaube, sie haben mich nur deswegen nicht umgebracht, weil ich arm war.« Und dann kam noch dazu, dass sie mich gezwungen hatten, einen Katzenfötus zu essen, aber diesen Teil verschwieg ich lieber.
Sophia wirkte ganz bestürzt. » Das tut mir wirklich leid.«
Ich zuckte die Achseln. » Es ist ja lange her. Eben musste ich lachen, weil der Rausschmiss aus der Bar auf meinem inneren Stressometer kaum zu sehen war, wenn man den Abend insgesamt betrachtet.« Ich trank einen großen Schluck aus meinem Glas.
Sophia stand auf. » Ich gehe mal lieber wieder ins Haus.« Sie ließ aus, was uns beiden klar war: bevor Jean-Paul mich hier draußen mit dir sieht. » Aber du sollst wissen, dass ich dich immer noch liebe.« Sie huschte ins Haus zurück, sodass ich keine Chance hatte, ihr zu antworten.
Ich trank meinen restlichen Gin, während die Gefühle, die so lange geschlafen hatten, wieder in meinem Bauch herumwirbelten. Mit einer geradezu körperlichen Anstrengung unterdrückte ich sie und ging ins Haus zurück. Als ich ins Bett ging, war mir fast schwindlig vor lauter Wohlbehagen– zwar nicht gerade so, dass das
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