Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
Vom Netzwerk:
durchsuchten die Nachbarhäuser nach Abfall. Nach fünf oder sechs Stunden wurde es im Wohnzimmer endlich still, daher wagte ich mich hinein, um nach Deirdre zu sehen.
    Cortez war immer noch bei ihr. Sie saßen auf dem Holzfußboden, neben sich zwei Gläser Wasser. Deirdre starrte mit großen Augen auf die Dielen. Cortez nickte mir zu, als ich mich auf dem Sofa niederließ.
    » Wie geht’s ihr?«, fragte ich.
    Deirdre schaute zu mir herüber. » Warum fragst du mich nicht selbst?« Ein Schauder überlief mich, als ich ihr Gesicht sah– ihr neues Gesicht. Es hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem alten. Der aggressive Blick und der böse, sarkastische Ausdruck um den Mund herum waren verschwunden. Stattdessen las ich in ihrer Miene Staunen und Erheiterung… und da war noch etwas anderes. Es pulsierte direkt unter ihrer Haut.
    Deirdre warf den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus, als hätte ich gerade etwas wahnsinnig Komisches gesagt. Sie lachte und lachte, bis es wie keuchendes Schluchzen klang. Dann kicherte sie nur noch.
    » Wie fühlst du dich?«, fragte ich.
    Deirdre dachte über die Frage nach und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. » Ich fühle mich… irre gut. Als wäre ich die Kirsche auf dem Eisbecher. Als wäre ich der Augenstern aller Männer.« Sie tätschelte Cortez die Wade. » Danke, dass du mich da durchgelotst hast.« Deirdre stand auf und beugte sich in der Hüfte, erst nach rechts, dann nach links, wie eine Läuferin, die Lockerungsübungen macht.
    » Ich glaube, ich gehe ein bisschen spazieren«, erklärte sie. Wir schauten zu, wie sie zur Tür schlenderte.
    Dann sahen wir uns an. » Wow«, sagte ich. » Sie hat kein einziges Mal › Arschloch‹ gesagt.«
    » Ich weiß. Unheimlich.«
    Ich folgte Deirdre nach draußen. Wie wollte sie spazieren gehen, wo doch alles mit Bambus zugewachsen war? Vom oberen Absatz der Vordertreppe aus konnte ich die Nachbarschaft ein wenig überblicken. Der Bambus hatte die halbe Straße aufgerissen und breitete sich weiter aus, in einer unregelmäßigen Linie. Ein Windstoß wehte mir ein Kichern zu, gerade so laut, dass ich es hören konnte.
    Es war schwer, sich eine glückliche, unbeschwerte Deirdre vorzustellen. Aber von der Frau, die ich gekannt hatte, war nichts übrig geblieben.
    Ich entdeckte sie auf der anderen Straßenseite. Sie tauchte aus dem Bambus auf, indem sie schnell die Leiter des Wasserturms hochkletterte, ihr Gesicht in einem breiten Grinsen erstarrt, und sie streckte ihre kurzen Beine, um die jeweils nächste Sprosse zu erreichen.
    Cortez kam zu mir auf die Vordertreppe.
    » Wo will sie denn bloß hin?« Ich deutete auf Deirdre.
    Jetzt entdeckte Cortez sie auch. » Keine Ahnung«, sagte er erstaunt. » Vielleicht will sie ganz nach oben klettern und Lollipop-Liedchen trällern.«
    Ich legte die Hände um den Mund. » Deirdre! Wie willst du denn da wieder runterkommen?!« Ich wusste, dass sie mich gehört hatte, denn sie stutzte kurz, kletterte dann aber weiter. Durch mein Rufen aufgeschreckt, kamen noch einige andere von unserer Sippe aus dem Haus.
    » Was macht sie denn da?«, fragte Jeannie.
    » Keine Ahnung«, antwortete ich. » Sie hat gesagt, sie wolle spazieren gehen. Ich habe schon die alte Deirdre nicht verstanden, aber bei der neuen blicke ich überhaupt nicht mehr durch.«
    » Deirdre!«, rief ich. » Bitte komm runter.« Sie war schon weit oben, bestimmt zehn oder zwölf Meter hoch. Insgesamt musste der Wasserturm fast zwanzig Meter hoch sein. Mir wurde allein vom Zusehen schwindlig.
    » Deirdre!«, rief Ange, » das ist zu hoch! Komm wieder runter!« Sie legte sich die Hand auf den Mund.
    Deirdre war oben angelangt, wo ein schmaler Steg rund um den unteren Rand des Wasserbehälters herumführte. Sie streckte sich, zog sich auf diesen Laufsteg hinauf und drehte sich dann am Geländer zu uns um. Sie lachte so heftig, dass ihre Brust und ihre Schultern bebten. Zumindest hielt ich dieses Zucken für Gelächter, aber aus dieser Entfernung waren Lachen und Weinen kaum zu unterscheiden.
    Sie hob ein Bein und schwang es über das Geländer.
    » Nein!«, schrien alle gleichzeitig. Alle außer mir. Meine Lungen waren wie gelähmt. Mein Herz stand still. Deirdre zog das andere Bein nach, sodass sie auf der Querstange des Geländers saß.
    Sie stieß sich nach vorn ab, in den leeren Raum hinein.
    Wie ein Püppchen sah sie aus, wie ein Spielzeug, das ein unartiges kleines Mädchen übers Geländer geworfen hatte. Ihre Kleidung

Weitere Kostenlose Bücher